Mit Bauantrag vom 20.03.2016, eingegangen bei der Stadt Aschaffenburg am 05.04.2016, beantragen die Eheleute xxx, Aschaffenburg, die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung von 4 Wohnhäusern auf dem Baugrundstück, Fl.-Nrn. xxx, xxx, xxx, xxx, xxx und xxx, Gemarkung Schweinheim, an der Seebornstraße in Aschaffenburg. Bei dem Bauvorhaben handelt es sich um die Errichtung von 4 zweigeschossigen Wohnhäusern am Rand der Ortslage.
Zielsetzungen des Flächennutzungsplans (FNP) und von Fachplanungen:
Der Flächennutzungsplan sowie die Fachplanungen Landschaftsplan und Tälerkonzept haben im planerischen „Innenbereich“ nach § 34 BauGB keine Verbindlichkeit. Sie verdeutlichen aber, dass die geplante Bebauung in eine sensible landschaftliche Situation eingreift.
- FNP: Sowohl der geltende FNP als auch der in Aufstellung befindliche neue FNP (Entwurf) stellen für das Hinterland südlich der Seebornstraße und damit den vorliegenden Bauantrag „Grünfläche“ dar.
- Landschaftsplan: Der Landschaftsplan als Fachbeitrag zur Neuaufstellung des FNP gibt für das Hinterland südlich der Seebornstraße und damit für den vorliegenden Bauantrag im Zusammenhang mit dem Bachtal des Hensbachs als Zielsetzung „Grünfläche, Grünachse mit besonderer Bedeutung für Naturschutz und Ressourcenschutz, Biotoppflege vordringlich“, aus.
- Talraumkonzept Hensbach: Im betreffenden Abschnitt aufgrund der Lage im faktischen Überschwemmungsgebiet beachtlich ist das Ziel „private Hausgärten mit gewässertypischer Vegetation und Retentionsflächen zum Hochwasserschutz“.
Nach der planungsrechtlichen Stellungnahme vom 06.05.2016 liegt das Bauvorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Die Lage kann wegen des Bestandswohnhauses noch als „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ nach § 34 BauGB eingeschätzt werden. Der Ortsteil im Abschnitt südlich der Seebornstraße weist den Charakter eines allgemeinen Wohngebiets auf.
Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben beurteilt sich nach dem „Einfügungsgebot“ des § 34 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO: Demnach „ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.“ (§ 34 Abs.1 BauGB).
Zu beachten bleibt hierbei, dass Teilflächen des „Plangebiets“ gemäß Neuberechnung aus dem Jahr 2014 im HQ100- Überschwemmungsbereich des Hensbachs liegen – das Gelände gilt somit als im sogenannten „faktischen Überschwemmungsgebiet“ liegend. Eine förmliche Festsetzung oder vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets liegt allerdings noch nicht vor.
Bei Überplanungen eines Grundstücks im faktischen Überschwemmungsgebiet muss in die Abwägung zur Baugenehmigung mit einbezogen werden, ob aus Gründen des Hochwasserschutzes Teile des Grundstücks von Nutzungen frei zu halten sind, welche den schadlosen Hochwasserabfluss oder die dafür erforderliche Wasserrückhaltung ansonsten behindern würden. Die Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde liegt als vorläufige Stellungnahme vor. Sie verlangte eine Plausibilitätsprüfung der neuen Hochwasserlinie. Diese wird das Wasserwirtschaftsamt vornehmen.
Nach der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde sind keine kartierten Biotopflächen betroffen. Es wird aber durch die Errichtung von 4 Wohnhäusern in eine sensible landschaftliche Situation eingegriffen. Aus Gründen des Landschafsbildes im Übergangsbereich zwischen Bebauung und freier Landschaft (hier: Teilraum des Hensbaches) ist es besonders wichtig auf eine ausreichende Eingrünung mit standortgerechten und einheimischen Pflanzen zu achten. Reine Ziergärten in diesem Bereich entsprechen nicht den Zielen und Maßnahmen der genannten Pläne und Konzepte. Der vorliegende Freiflächenplan genügt diesen Anforderungen nicht und muss daher überarbeitet werden. Neben der richtigen Gehölzartenauswahl sollte insbesondere auf die Lage der Gärten im Überschwemmungsbereich geachtet werden. Die geplante Baufläche befindet sich im Innenbereich nach § 34 BauGB. Die Eingriffsregelung der §§ 14 ff. Bundesnaturschutzgesetz finden deshalb keine Anwendung (Art. 18 Abs. 2 BNatSchG).
Die Untere Naturschutzbehörde hat dem Bauvorhaben zugestimmt. Aufgrund der landschaftlich sensiblen Lage im Talraum des Hensbaches sind aber folgende Auflagen in die Baugenehmigung mit aufzunehmen:
1. Die Gärten sind naturnah zu gestalten. Insbesondere im Übergangsbereich zum Hensbach dürfen nur standortgerechte und einheimische Pflanzen verwendet werden. Der Freiflächenplan ist mit der genauen Lage der Bäume und Sträucher und den entsprechenden Gehölzarten zu ergänzen.
2. Die artenschutzrechtlichen Verbote des §§ 44 BNatSchG sind zu beachten.
Bei einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil bestimmt sich der maßgebende bauliche Rahmen der näheren Umgebung unabhängig von Grundstücksgrößen und relativen Maßzahlen wie GFZ und GRZ, die kein Beurteilungskriterium für das „Einfügungsgebot“ sind:
- Die Gebäudegrundfläche erreicht ein Maß bis ca. 230 m² (Bezugsfall: Seebornstraße 36, Seebornstraße 40).
- Die bauliche Höhenentwicklung wird bestimmt von Gebäuden mit II Vollgeschossen plus Dach (Dach auch als Vollgeschoss möglich), evtl. zuzüglich einem talseits aus dem Hang tretenden Untergeschoss (je nach Hangsituation, keine Vollgeschosse).
Im Hinterland „in zweiter Reihe“ gibt es ein- und zweigeschossige Häuser mit Flach-, Walm- oder Satteldach.
- Die entlang der Seebornstraße errichteten Gebäude „in erster Reihe“ stehen im betreffenden Gebietsabschnitt meist unmittelbar an der Straßenbegrenzungslinie, es gibt aber auch einige Gebäude mit Abstand zur Straße zwischen 4 m bis 15 m (z.B. die Häuser Seebornstraße 60, 62, 64, 66).
- Nicht untypisch für die Ortslage ist der Bestand an Hauptgebäuden auch „in zweiter Reihe“ mit jeweiliger Privaterschließung über das Vorderanwesen. Eine fiktive hintere Baugrenze wird definiert durch die südliche Gebäudekante (Giebelwand) der Seebornstraße 36a. Daraus ergibt sich eine maximale Bautiefe von 45m, gemessen ab Straßenbegrenzungslinie der Seebornstraße. Das Bestandsgebäude Seebornstraße 46a weist die gleiche Bautiefe auf, die Gebäude Seebornstraße 40a + 42a befinden sich ebenfalls innerhalb dieses „Baufensters“ (maximale Bautiefen von 37 m).
- Vorherrschend ist eine „offene Bauweise“ aus Einzel- und Doppelhäusern, die Hausgruppe Seebornstraße 34-42 weist aufgrund der Gesamtlänge von über 60m eine „geschlossene Bauweise“ auf. In den Fällen der Hinterlandbebauung „in zweiter Reihe“ handelt es sich ausschließlich um freistehende Einzelhäuser in offener Bauweise unter Wahrung entsprechender Abstände.
Planungsrechtliche Beurteilung:
- Die geplante Art der baulichen Nutzung – Wohnen (4 Wohnhäuser mit insgesamt 7 WE) – fügt sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
- Die Gebäudegrundflächen der einzelnen Häuser bewegen sich zwischen 150 m² und 328 m² und fügen sich hinsichtlich ihrer Größe in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Bei dem Wohnhaus mit 328 m² Grundfläche handelt es sich um ein Wohnhaus mit 2 Zugängen die in Eigentumswohnungen (WEG) aufgeteilt werden. Bauliche Höhe: Die geplanten Häuser haben jeweils zwei Vollgeschosse (EG + OG) sowie ein Flachdach und fügen sich somit in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
- Die maximale Bautiefe erreicht ein Maß von 55 m hinter der Straßenbegrenzungslinie, wodurch der vorgegebene Rahmen überschritten wird. Die im Sinne eines „Einfügens“ prägende Bautiefe von 45m wird einzig durch „Haus 4“ eingehalten, die anderen 3 Häuser überschreiten die zulässige Bautiefe um bis zu 10 m. Die Häuser 1, 2 und 3 fügen sich daher hinsichtlich der Bautiefe nur ein, wenn man den Gesamtzusammenhang der bestehenden Bebauung zwischen Seebornstraße und Hensbach würdigt. Dieser Gesamtzusammenhang ist sehr heterogen und bildet keine klardefinierte Ortsrandlinie. Das geplante Bauvorhaben entwickelt diesen heterogenen Ortsrand organisch weiter, so dass der Anspruch des Einfügens erfüllt ist.
- Die Bauweise in Form von Einzelhäusern fügt sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Sonstiges und Hinweise:
1. Hochwasserschutz: In Abstimmung mit Unterer Wasserbehörde ist zu klären, ob und welche baulichen Anlagen auf dem Grundstück errichtet werden können. Aktuell ist davon auszugehen, dass zwecks Freihaltung des HQ-100-Überschwemmungsbereichs die geplanten Hausgärten weder mit Zäunen quer zur Fließrichtung noch mit baulichen Anlagen (Gartenhäuschen o.ä.) ausgestattet werden dürfen. Die Terrasse von Haus 2 ragt unzulässigerweise in die HQ-100-Fläche hinein
Auflage:
Die Stellungnahmen der Unteren Wasserbehörde ist zu beachten (voraussichtlich Verbot von baulichen Anlagen im Ü-Gebiet quer zur Fließrichtung).
2. Gesicherte Erschließung: Eine gesicherte verkehrliche Erschließung erfordert die Verschmelzung oder Vereinigung der Grundstücke mit gemeinsamer privatrechtlicher Anbindung an die Seebornstraße.
Bedingung:
Die Grundstücke sind zu verschmelzen oder zu vereinigen.
Hinweis: Die Einleitung des Regenwassers in den Hensbach erfordert eine eigene wasserrechtliche Genehmigung. Der Antrag hierzu ist bereits gestellt und die Genehmigung in Aussicht gestellt
3. Naturschutz:
Auflagen:
- Die Gärten sind naturnah zu gestalten. Insbesondere im Übergangsbereich zum Hensbach dürfen nur standortgerechte und einheimische Pflanzen verwendet werden. Der Freiflächenplan ist mit der genauen Lage der Bäume und Sträucher und den entsprechenden Gehölzarten zu ergänzen.
- Die artenschutzrechtlichen Verbote des §§ 44 BNatSchG sind zu beachten.
Unmittelbar betroffene Nachbarn haben dem Bauvorhaben zugestimmt. Allerdings verändert dieses Bauvorhaben den bisherigen „Bebauungsrahmen“, so dass zukünftig auch auf weiteren Grundstücken tiefer ins Gelände gebaut werden kann.
Unter der Bedingung der Erfüllung aller o.g. Auflagen kann im Sinne des § 34 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO das Bauvorhaben zugelassen werden.
Die nach der städtischen Stellplatzsatzung erforderlichen Pkw-Abstellplätze werden auf dem Baugrundstück nachgewiesen. Für die nach der Stellplatzsatzung erforderlichen Fahrradabstellplätze ist der Stellplatznachweis noch vorzulegen.
In bauordnungsrechtlicher Hinsicht ist das Bauvorhaben unter der Voraussetzung, dass die Auflagen und Bedingungen der nach Art. 65 BayBO zu beteiligenden Fachbehörden und –stellen beachtet werden, genehmigungsfähig.
Unter den genannten Voraussetzungen wird dem Umwelt- und Verwaltungssenat die Zustimmung zur Erteilung der Baugenehmigung vorgeschlagen.