Das Streamen (Übertragen von Inhalten/Daten ins Internet) von öffentlichen Sitzungen hat nicht zuletzt durch die Einschränkungen der Corona-Pandemie an Bedeutung gewonnen. Wie allgemein bekannt, können durch eine Live-Übertragung einer Sitzung ins Internet mehr interessierte Personen als Zuhörerin bzw. Zuhörer an einer Sitzung teilnehmen, als es oft die Sitzplatzkapazitäten vor Ort im Sitzungssaal ermöglichen. Das Live-Streaming stellt daher im „Medienzeitalter“ eine weitere Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde dar.
Vereinfacht ausgedrückt werden beim Live-Streaming die Inhalte/Daten von einem PC direkt ins Internet (Netzwerk) übertragen. Eine Nutzerin bzw. Nutzer des Streamings kann sich die Inhalte/Daten über ein Endgerät (z. B. PC, Laptop, Tablet oder Smartphone) über eine Internetseite abrufen. Im Gegensatz zu einem Download werden diese Inhalte/Daten aber nicht dauerhaft auf dem Endgerät der Nutzerin bzw. des Nutzers gespeichert.
Generell ist beim Streaming von Inhalten/Daten ins Internet zu beachten, dass diese weltweit von einem unbegrenzten Personenkreis abgerufen, aufgezeichnet und unter Umständen auch verändert und ausgewertet werden können. Ebenso können die Inhalte/Daten auch über Suchmaschinen aufgefunden werden. Eine zweckwidrige Weiterverwendung der Aufnahmen durch Dritte ist daher weder absehbar noch beeinflussbar.
Wie allgemein bekannt ist, sind die Tätigkeiten von Gemeinderatsmitgliedern nicht direkt mit den Tätigkeiten der Abgeordneten auf EU-, Bundes- oder Landesebene vergleichbar, da die Gemeinderatsmitglieder eben ein Ehrenamt ausüben und ein Teil eines Verwaltungsorgans (Exekutive) sind (BayVGH 51, 117; BayVerfGH 5, 66). Die Regeln bzw. die Anforderungen oder die Maßstäbe, die für die Abgeordnete der Parlamente der Legislative gelten, sind daher nicht 1:1 auf die Tätigkeiten der ehrenamtlichen kommunalen Entscheidungsträger übertragbar. So hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 03.08.1990 (BayVBl. 1991, 89) zum Ausdruck gebracht, dass die Funktionsfähigkeit eines Gemeinderates dadurch beeinträchtigt werden kann, wenn sich Ratsmitglieder u. U. nicht mehr unbefangen äußern, wenn sie wissen, dass ihre Redebeiträge aufgezeichnet werden. Nach Auffassung des Gerichts „…seien ehrenamtliche Gemeinderatsmitglieder im Durchschnitt eben keine im Umgang mit den Medien erfahrenen Berufspolitiker, so dass Befangenheit Platz greift und die Redebeiträge in einer Sitzung an Spontaneität verlieren.“ Die Auffassung des BVerwG hat zur Folge, dass die Zulässigkeit der Anfertigung von Bild- und Tonaufzeichnungen zunächst eines Gemeinderatsbeschlusses bedarf. Fühlt sich das Einzelne ehrenamtliche Gemeinderatsmitglied durch die Aufnahme seines Redebeitrags beeinträchtigt, so kann es eine Verletzung seines Mitgliedschaftsrechts geltend machen, mit der Folge, dass der Vorsitzende die Aufnahme seines Redebeitrags zu untersagen hat Für die live Übertragung von öffentlichen Gemeinderatssitzungen gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Rn. 10 zu Art. 52 GO bzw. die Ausführungen des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz unten).
Der Stadtrat der Stadt Aschaffenburg bzw. der Oberbürgermeister sind von den positiven Möglichkeiten einer Live-Übertragung dennoch überzeugt. Sie haben sich daher nach Güterabwägung zuletzt entschieden, bei besonderen Anlässen, wie z. B. anlässlich der Konstituierenden Sitzung am 04.05.2020 oder für anlässlich des sog. „Klima-Plenums“ am 13.10.2020 eine öffentliche Sitzung live streamen zu lassen.
Nach Recherche der Verwaltung haben die Konstituierenden Sitzung ca. 340 Personen für einen längeren Zeitraum (bis zu einer Stunde) die Sitzung live an ihren Endgeräten mitverfolgt. Bei der Sitzung des sog. Klima-Plenums am 13.10.2020 haben ca. 80 Personen virtuell als Zuhörer(in) teilgenommen.
Nachfolgend wird auf die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen eingegangen:
1. Rechtliche Voraussetzungen:
Bei der Übertragung von Ton- und Bildaufnahmen von natürlichen Personen ins Internet werden eben unstrittig deren personenbezogenen Daten weltweit im Netz veröffentlicht. Deshalb richtet sich im Ausfluss der o. g. Entscheidung des BVerwG die rechtliche Zulässigkeit nach dem Datenschutz.
Wie der Bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz in seinem 29. Tätigkeitsbericht unter Ziffer 5.2.1 (vgl. https://www.datenschutz-bayern.de/tbs/tb29/k5.html#5.2.1) zu diesem Thema veröffentlicht hat, gibt es bisher keine Rechtsgrundlage, wonach eine Gemeinde berechtigt wäre personenbezogenen Daten aller in einem Sitzungssaal anwesenden Personen (auch gegen deren Willen) weltweit ins Internet zu übertragen. Folglich können einzelne Personen in Wort (Ton) oder Bild nur live gestreamt werden, wenn sie dazu vorher freiwillig eingewilligt haben (gem. Art. 4 Nr. 11, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a, Art. 7 DSGVO).
„Die Entscheidung über die Zustimmung (Einwilligung) muss dabei ohne psychischen Druck auf der Grundlage ausreichender Informationen über die besonderen Modalitäten einer Interneteinstellung und mit ausreichender Überlegungsfrist erfolgen können. Die Verweigerung der Zustimmung darf nicht in diskriminierender Weise zur Kenntnis gebracht werden. Der Zuschauerraum darf nicht so in die Übertragung einbezogen werden, dass einzelne Zuschauer erkannt werden können.“
Diese informierte Einwilligung ist zu dokumentieren und jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerruflich. Eine Einwilligung ist auch von den Stadtratsmitgliedern notwendig, die wiederum nur virtuell an einer Sitzung teilnehmen!
Fehlt es an einer Einwilligung so muss bei der Aufnahme dafür gesorgt werden, dass die Person nicht gestreamt wird.
Zusätzlich ist das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung zu beachten, da in einer Sitzung auch immer Beschäftigte der Stadtverwaltung anwesend sind.
2. Technische Umsetzung, Personaleinsatz und Kosten
2.1 Anforderungen an die Technik des Sitzungssaals
2.1.1 Sitzungsräume in der Stadthalle am Schloss
Da die Kongress- und Touristikbetriebe über keine Tischmikrophone verfügt, werden diese aktuell von einem Dienstleister angemietet. Diese Mikrophone sind für eine direkte Tonabnahme geeignet.
In den Sitzungsräumen der Stadthalle am Schloss ist eine ausreichende Bandbreite der Internetverbindung für das Live-Streaming vorhanden.
2.1.2 Großer Sitzungssaal des Rathauses (Sitzungssaalgebäude)
Die vorhandene Tonanlage im Sitzungssaal ist veraltet und muss dazu vorher ertüchtigt werden.
Der Haupt- und Finanzsenat hat dazu am 14.06.2021 einen Auftrag an die Firma Siemens AG erteilt.
Für das Sitzungssaalgebäude muss die notwendige Bandbreite der Internetverbindung nachgerüstet werden. Hier ist das Amt für Hochbau- und Gebäudewirtschaft bereits tätig geworden.
2.2 Durchführung des Live-Streamings (Hardware, Software und Personaleinsatz)
Zur Durchführung des Live-Streamings sind zwei Varianten vorstellbar:
a) Die Stadtverwaltung streamt selbst:
Dazu sind zunächst Investitionen in Hard- und Software notwendig:
Kostenschätzung (aufgrund vorliegendem Angebot):
Kamerazug mit Stativ: ca. 4.000 Euro (netto)
z. B. MacBookPro mit entsprechender Leistung ca. 3.000 Euro (netto)
Lizenzgebühr Encoder: ca. 900 Euro (netto)
Kabel und Adapter für die Einbindung von Präsentationen ca. 1.000 Euro (netto)
ca. 8.900 EUR (netto)
Daneben entstehen zusätzliche wiederkehrende Hosting Gebühren, die pro Stream anfallen.
Nach vorliegenden Informationen betragen diese etwa bei 300 Zuschauern ca. 180 Euro pro Sitzungstag.
Personal:
Die Stadtverwaltung verfügt über keinen professionellen Audio-Video („AV“)-Techniker, der für ein ordnungsgemäßes und zuverlässiges Streamen benötigt wird.
Zum Begriff AV-Technik bzw. Techniker:
„Klassische AV-Medien sind Kameras, Projektoren, Rekorder, Beschallungsanlagen und Displays jeglicher Art. Der Begriff AV-Technik bezieht sich jedoch nicht nur auf die Technologie der Medien selbst, sondern auch auf das Management dieser. Durch diese Dimension kommen Aspekte wie Systemintegration, Signalverteilung oder Cloud Computing hinzu (entnommen: https://www.professional-system.de/basics/was-ist-av-technik/).“
b) Die Stadt vergibt den Auftrag an einen professionellen externen Dienstleister
Aufgrund eines vorliegenden Angebots kann die Höhe der Kosten wie folgt beziffert werden:
für Hardware- u. Software und Hosting Gebühren
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ca. 500 EUR (netto)
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Personalkosten für 1 Techniker
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ca. 320 EUR (netto)
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Gesamt
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ca. 820 EUR (netto) pro Sitzung
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2.3 Kostenvergleich
Grundlage: Es sollen zunächst nur die öffentlichen Plenarsitzungen für ein halbes Jahr live-gestreamt werden. Es handelt sich dabei um 10 geplante Sitzungen.
Live-Streaming durch die Stadt AB
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Live-Streaming durch Dritte
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8.900 EUR (netto) Investitionen
1.260 EUR (netto) Streaming-Gebühr
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„Rund um Paket“
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10.160 EUR (netto)
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8.200 EUR (netto)
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geeignetes Personal fehlt
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3. Interkommunaler Vergleich:
Kommune
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Streaming
seit
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Externer Dienstleister
für das Streamen
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Streaming in Eigenregie
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Bayreuth
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2017
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Ja
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Ingolstadt
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2020
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Ja
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Passau
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2011
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Ja
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Erlangen
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2020
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Ja
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Regensburg
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2015
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Nein
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Ja
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München
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2013
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Ja
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Zusätzlich Mitarbeit der Pressestelle als Regie
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Die Mehrheit der befragten Städte haben über eine endgültige Entscheidung für das regelmäßige Live-Streaming von Sitzungen erst nach einer mehrmonatigen Probephase getroffen. Außerdem werden nur die öffentlichen Plenarsitzungen und nicht die Sitzungen der Ausschüsse / Senate gestreamt.
Der Personalrat innere Verwaltung hat mit E-Mail vom 23.02.2021 mitgeteilt, dass dort keine Bedenken gegen die Live-Übertragung bestehen, sofern die o. g. ausgeführten datenschutzrechtlichen Vorgaben beachtet werden.
4. Einrichtung einer Mediathek für aufgezeichnete Stadtratssitzungen:
Von einer nachträglichen Einstellung eines Livestreams in eine Mediathek, die über das Internet auf Dauer zugänglich ist, wird unter Berücksichtigung der Auffassung des Bayerischen Landesbeauftragte für Datenschutz in Ziffer 6.10.1 des 27. Tätigkeitsberichts 2016
„Eine Gemeinde kann ihre gesetzlichen Befugnisse nicht beliebig mit Hilfe von Einwilligungen erweitern. Der Gesetzgeber hat schon die Live-Übertragung öffentlicher Stadtrats- und Ausschusssitzungen im Internet nicht geregelt. Wie im 21. Tätigkeitsbericht 2004 unter Nr. 11.2 dargestellt, kann sie mit Hilfe von Einwilligungen unter bestimmten Voraussetzungen noch gerechtfertigt sein. Im Gegensatz zu einer solchen flüchtigen Momentaufnahme hat eine dauerhafte Archivierung weitergehende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsrechte und die Funktionsfähigkeit des Gremiums. Daher sehe ich ohne gesonderte gesetzliche Regelung keinen Raum, auf Basis einer Einwilligung diese Datenübermittlung für zulässig zu halten. Die Einwilligung ist als Instrument nicht geeignet, sich derart weit vom gesetzlichen Regelungsmodell - Öffentlichkeit der Stadtratssitzung nur nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 2 GO - zu entfernen.“
abgesehen.
5. Konzept für das Live-Streaming
-> nur mit datenschutzkonformer Einwilligung aller vom Live-Stream betroffenen Personen.
(Einwilligung kann auch elektronisch erfolgen)
-> zur Durchführung des Live-Streamings im Einzelfall oder für den Probetrieb erfolgt zunächst eine Vergabe an einen externen Dienstleister.
-> Zuhörerraum darf nicht gestreamt werden.
-> ggf. Nutzung eines Rednerpults mit Mikrophon, um Übertragung von Redebeiträgen weitgehend auszuschließen, die nicht von einer Einwilligung gedeckt sind.
-> bei fehlender Einwilligung muss die Person oder ihr Redebeitrag in einer diskriminierungsfreien Weise ausgeblendet werden (z. B. Standbild)
-> Präsentationen der Verwaltung sind ebenfalls zu übertragen
-> Keine Einstellung des Live-Streams in eine Mediathek