1 Vorbemerkungen zur bestehenden Situation
Im März 2012 hat der Stadtrat die Freigabe des Radverkehrs in den Fußgängerzonen und im Schöntal für ein Jahr auf Probe beschlossen. Der Beginn der Probezeit erfolgte mit dem 4. Mai 2012. Bild 1 zeigt den räumlichen Umfang der Regelung. Der Weg zur City-Galerie durch den Park Schöntal ist von der Regelung ausgenommen.
Bild 1: Fußgängerzonen und Park Schöntal in Aschaffenburg
Das Probejahr wurde durch die Kampagne "Rücksicht nehmen!" mit folgenden Inhalten begleitet:
- Verteilung von Informationsflyern zum richtigen Verhalten in Fußgängerzonen
- Plakate in den Fußgängerzonen, Bodenaufkleber, Banner im Schöntal
- 3 Infostände in der Herstallstraße mit Beteiligung der Verwaltung, des ADFC, der Initiative familienfreundliches Radeln und der Polizei
Die Probezeit endet am 3.5.2013. Es soll daher rechtzeitig über die daran anschließende Regelung beraten werden.
2 Zählungen und Beobachtungen
Im März 2012, vor dem Beginn der Probezeit wurde der Radverkehr in der Fußgängerzone Herstallstraße gezählt und beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt war das Radfahren in der Fußgängerzone verboten. Neben der Anzahl der Radfahrenden wurden auch noch folgende Merkmale erfasst:
- Wird das Fahrrad gefahren oder geschoben?
- Wie alt ist die erfasste Person (20 Jahre und jünger, 20-60 Jahre, älter als 60)?
- Wenn das Fahrrad gefahren wird: Ist die Geschwindigkeit angepasst?
Im August 2012 wurde innerhalb der Probezeit eine weitere Zählung nach oben beschriebenem Muster wiederholt. Die Zählung erfolgte im Rahmen einer Bachelorarbeit, die sich dem Thema "Freigabe der Fußgängerzone für den Radverkehr" widmete.
In den Bildern 2-5 sind die Ergebnisse beider Zählungen dargestellt. Im August wurde nur von 10-18 Uhr gezählt. Beide Zählungen sind nur bedingt vergleichbar. Im August lagen höhere Temperaturen vor, es waren Schulferien und der Anteil des touristischen Radverkehrs lag deutlich höher.
Bild 2: Fahrräder in der Fußgängerzone Herstallstraße
Bild 3: Fahrräder in der Fußgängerzone Herstallstraße – fahrend / schiebend
Bild 4: Fahrend oder schiebend nach Altersgruppe, 10-18 Uhr
Bild 5: Angemessene Geschwindigkeit nach Altersgruppe, 10-18 Uhr
Trotz der nur bedingt möglichen Vergleichbarkeit, lassen sich folgende Aussagen aus den Bildern 2-5 ableiten:
- Im August ist die Anzahl der Radfahrenden in der Herstallstraße von 396 im März auf 569 angestiegen (Bild 2). Die Gründe hierfür sind vielfältig und beschränken sich nicht auf die neue Verkehrsregelung.
- Der Anteil derer, die das Fahrrad in der Fußgängerzone fahren und nicht schieben ist größer geworden (Bild 3). Bei Betrachtung der absoluten Werte lässt sich feststellen, dass etwa gleich viele Personen es vorzogen, ihr Fahrrad zu schieben. Bezogen auf die Tageszeit ist der Anteil der Schiebenden tagsüber höher als in den Tagesrandzeiten. Besonders morgens bis 10 Uhr wird überwiegend gefahren.
- Die Frage ob das Fahrrad geschoben oder gefahren wird, lässt sich auch in Bezug zum Alter auswerten (Bild 4): Dabei ist erkennbar, dass die Altersgruppe der unter 20-Jährigen vor- wie nachher größtenteils fährt. Die Altergruppe über 60 Jahre schiebt überwiegend, gleichwohl der Anteil der Fahrenden größer geworden ist. Eine Verhaltensumkehr erfolgte in der Gruppe der 20 bis 60-Jährigen: Haben im März 2012 noch mehr Personen ihr Fahrrad geschoben, so sind nun die fahrenden Personen deutlich stärker vertreten.
- Im März konnten 24 Personen zwischen 10-18 Uhr beobachtet werden, deren Geschwindigkeit für die Befahrung einer Fußgängerzone nicht angemessen war (Bild 5). Im August waren es mit 26 Personen etwa gleich viel, die nicht angemessen gefahren sind – jedoch bei weitaus höherer Radverkehrsmenge insgesamt. Und so beträgt der Anteil derer, die unangemessen fuhren im März 14% und im August 7%.
Die Polizei musste im Probezeitraum einen Unfall in der Herstallstraße mit Beteiligung eines Radfahrers und einer Fußgängerin aufnehmen. Im Park Schöntal gab es keine registrierten Unfälle.
Den Gesprächen an den Infoständen in der Fußgängerzone konnte zum einen viel Zustimmung zur Freigabe der Fußgängerzone entnommen werden. Es wurde aber Kritik an der neuen Regelung geübt, vor allem daran, dass die Radfahrenden zu schnell fahren.
Im Rahmen einer Bachelorarbeit wurden gruppenspezifische Beteiligungsformen angewendet, um ein Meinungsbild folgender Personengruppen zu erlangen:
? Familien mit (kleinen) Kindern,
? Menschen mit Behinderungen,
? Einzelhändler der Fußgängerzone und
? Senioren.
In Bild 6 sind die Gruppen, die angewendete Methode und das Ergebnis des Meinungsbildes dargestellt.
Bild 6: Meinungsbild teilhabender Gruppen zur Freigabe des Radverkehrs
Bei den Familien mit Kindern und den beiden Interviews mit sehbehinderten Personen wurde ein positives Meinungsbild zur Beibehaltung der Regelung erzielt. Bei der Befragung der Einzelhändler gingen die Meinungen weit auseinander, mit einer insgesamt leicht ablehnenden Tendenz. Bei der Gruppendiskussion im Seniorentreff kam zum Ausdruck, dass unabhängig jeglicher Regelungen Kontrollen in der Fußgängerzone gewünscht sind.
In der 2. Sitzung des Arbeitskreis Radverkehr, der die Arbeiten des Radverkehrskonzepts inhaltlich begleitet, wurde die Freigabe des Radverkehrs in der Fußgängerzone am 15.03.2013 besprochen. Dabei sprach sich der Arbeitskreis nahezu geschlossen für die Fortführung der bestehenden Regelung aus – zumindest so lange, bis die Straßen der Fußgängerzonenumfahrung keine adäquate Radverkehrsinfrastruktur aufweisen.
Die Aktivitäten der Stadt Aschaffenburg im Hinblick auf die Vorgehensweise und Durchführung der Probezeit haben mittlerweile Vorbildcharakter. Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern veranstaltet am 18.04.2013 eine Fachexkursion in Aschaffenburg zum Thema "Fahrradfahren in Innenstädten - Öffnung von Fußgängerzonen für den Fahrradverkehr und Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen".