Antrag KI und Grüne "Aschaffenburg als sicherer Hafen" vom 27.02.2019 und 05.03.2019


Daten angezeigt aus Sitzung:  7. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 06.05.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 7. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 06.05.2019 ö Beschließend 11PL/7/11/19

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

  1. Antragsinhalte
Mit Schreiben vom 27.02.2019 hat Herr Stadtrat Büttner von der KI auf der Basis der Initiative SEEBRÜCKE beantragt eine Resolution mit folgendem Inhalt zu beschließen:
Die Stadt Aschaffenburg spricht sich dafür aus:
  1. Jede Form der Kriminalisierung von Seenotrettung zu verurteilen.
  2. Aschaffenburg offiziell zum sicheren Hafen zu erklären, d.h. einem Ort zum Ankommen für Gerettete aus dem Mittelmeer zu erklären
  3. Die Aufnahme von Geflüchteten aus dem Mittelmeer in Aschaffenburg offensiv anzubieten und Geretteten eine Perspektive zu eröffnen
  4. Die Behörden Anzuweisen, alle Möglichkeiten zu nutzen, Visa und Gruppenbleiberechte für Gerettete auszustellen

Ziffer 2 des Antrages bezieht sich auf die Erklärung zum sicheren Hafen im Sinne der Initiative SEEBRÜCKE. Nach der hompage der Initiative ist eine Kommune ein „sicherer Hafen“ im Sinne der Initiative wenn mindestens eine der näher bezeichneten Forderungen ( https://seebruecke.org/wp-content/uploads/2019/01/Forderungen-Sicherer-Hafen.pdf ) erfüllt ist. Diese reichen von bloßer Erklärung der Solidarität mit den Zielen der SEEBRÜCKE über die Übernahme der Patenschaft für ein ziviles Seenotrettungsschiff bis hin zu Forderungen nach Gesetzesänderungen oder zusätzlichen Aufnahmequoten auf lokaler Ebene.

Mit Schreiben vom 05.03.2019 hat die Stadtratsfraktion der Grünen ohne direkte Bezugnahme auf die Initiative SEEBRÜCKE folgenden Antrag gestellt:

  1. Die Stadt erklärt sich zu einem sicheren Hafen und wird aus Seenot gerettete Flüchtlinge im Rahmen Ihrer Möglichkeiten aufnehmen
  2. Die Verwaltung wird beauftragt, die für die Aufnahme, die Unterbringung und den Aufenthalt sichernden Maßnahmen für Gerettete zu organisieren. Es wird geprüft, inwieweit sich die Stadt Aschaffenburg an den Kosten zur Unterbringung beteiligen kann.

  1. Allgemeine Rechts- und Sachlage

  1. Rechtslage

  1. Aufnahmemodalitäten
Im Rahmen des internationalen Flüchtlingsschutzes existieren einige Sonderprogramme zur Aufnahme von Geflüchteten in Drittstaaten. In der Bundesrepublik Deutschland sind dies das Resettlementprogramm der Vereinten Nationen sowie andere humanitäre Aufnahmeprogramme (HAP).

Eine Aufnahme von Flüchtlingen aus der Seenotrettung im Rahmen von Kontingenten in Aschaffenburg setzt eine Länder- oder Bundesregelung voraus. Denkbar wäre zum Beispiel ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach § 23 Abs. 1 oder 2 AufenthG aufzusetzen. Diese lauten:
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Anordnung kann unter der Maßgabe erfolgen, dass eine Verpflichtungserklärung nach § 68 abgegeben wird. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern.
(2) Das Bundesministerium des Innern kann zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland im Benehmen mit den obersten Landesbehörden anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt. Den betroffenen Ausländern ist entsprechend der Aufnahmezusage eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Die Niederlassungserlaubnis kann mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage versehen werden. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
Auf eine derartige Aufnahme auf der Basis eines humanitären Aufnahmeprogrammes zielt zum Teil auch die Initiative SEEBRÜCKE ab. Sie hätte den Vorteil, dass die aufenthaltsrechtliche Situation mit dem grundsätzlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeit und regulären Integrations- und Sozialleistungen gesichert wäre.
Eine weitere Möglichkeit wäre auch eine Aufnahme von Flüchtlingen zur Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland wie dies bereits in Hotspots in Griechenland und Italien umgesetzt wird. Dennoch ist eine bedarfsgerechte Unterbringung weiterhin, wie im allgemeinen Flüchtlingsbereich, eine Herausforderung.
Entscheidungen über die Aufnahme von Flüchtlingen fallen nicht in die kommunale Entscheidungskompetenz.

  1. Unterbringungsmodalitäten

Grundsätzlich besteht für die Unterbringung von Geflüchteten/Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) die Zuständigkeit des Freistaates Bayern bzw. der jeweiligen Regierungen [Art. 2 ff. Aufnahmegesetz (AufnG)]. Nur für den Fall, dass eine staatliche Unterbringung nicht möglich ist, muss die Unterbringung (subsidiär) durch die kreisfreien Gemeinden und Landkreise erfolgen. Dazu ist in Art. 6 Abs. 1 AufnG geregelt, dass - soweit der oben genannte Personenkreis (Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG) nicht in den staatlichen Einrichtungen untergebracht werden kann - die Unterbringung durch die kreisfreien Gemeinden und Landkreise nach Maßgabe der Verteilung der Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl) erfolgt (die sog. „dezentrale Unterbringung" in den städtischen/kommunalen Unterkünften). Die konkreten Verteilungsquoten ergeben sich aus der DVAsyl: § 3 Abs. 1 DVAsyl legt die Quote für die Verteilung auf die Regierungsbezirke fest (für Unterfranken 10,8 %) und § 3 Abs. 2 DVAsyl die Quoten für die Verteilung innerhalb der Regierungsbezirke (für die Stadt Aschaffenburg 5,7%) Seit Anfang 2016 gibt es mit Verfügung des Freistaates keine Zuweisungen mehr in die Kommunen. Es ist seit diesem Zeitpunkt wieder allein Sache des Freistaates, für die Unterbringung von Flüchtlingen zu sorgen und gegebenenfalls Plätze zu schaffen. Die Stadt Aschaffenburg unterstützt den Freistaat und die Regierung von Unterfranken dabei, indem im Stadtgebiet eine große Gemeinschaftsunterkunft angesiedelt ist. In der Vergangenheit hat die Stadt Aschaffenburg immer größere Kontingente an Geflüchteten aufgenommen als nach der DVAsyl zugeordnet gewesen wären.
Die Unterbringung von Flüchtlingen ist grundsätzlich nicht kommunale Aufgabe.

  1. Zuständigkeiten für Visa und Bleiberechte

Für die Ausstellung von Einreisevisa ist immer die deutsche Auslandsvertretung in dem jeweiligen Herkunfts- oder Aufenthaltsland zuständig. Gruppenbleiberechte für aus Seenot gerettete gibt es im deutschen Aufenthaltsrecht nicht. Über die Anerkennung als Asylberechtigter, als Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter entscheidet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem für jeden Antragsteller individuellen Verfahren. Die örtliche Ausländerbehörde der Stadt Aschaffenburg hat auf den Ausgang und die Entscheidung im Asylverfahren keinen Einfluss. Eine Rechtsgrundlage andere Aufenthaltstitel an aus Seenotgerettete auszustellen ist im Aufenthaltsgesetz nicht vorgesehen.
Die Stadt Aschaffenburg kann somit weder die örtliche Ausländerbehörde noch andere zuständige Ausländerbehörden anweisen, außerhalb der geltenden Rechtsgrundlagen Aufenthaltstitel auszustellen.

  1. Sachlage in Aschaffenburg

Seit 2014 hat die Stadt Aschaffenburg insgesamt 916 Flüchtlinge in dezentralen Unterkünften aufgenommen.
Zum 31.12.2018 befanden sich in den dezentralen Unterkünften 259 Personen, in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) 255 Personen. Die GU hat 350 Plätze. Hierbei sind noch nicht die Container/Module berücksichtigt, die sich auf dem Gelände befinden, so dass von annähernd 400 Plätzen auszugehen ist.
Aufgrund rückläufiger Zugänge von Flüchtlingen im Regierungsbezirk erfolgt durch die Regierung von Unterfranken Zuweisungen von Asylbewerbern ausschließlich in staatliche Gemeinschaftsunterkünfte.
Aktuell bestehende dezentrale Unterkünfte sind neben noch im laufenden Asylverfahren befindlichen Bewohnern auch in nicht unerheblichem Maße belegt durch bereits anerkannte Flüchtlinge, welche aufgrund des überaus angespannten Wohnungsmarktes bisher keine eigene Privatwohnung gefunden haben und daher weiterhin beherbergt werden müssen.
Hinzu kommen weiterhin noch Familiennachzüge, welche in aller Regel bei Ankunft in Deutschland keinen eigenen Wohnraum aufweisen können und somit im Rahmen der Obdachlosenunterbringung ebenfalls kommunal und oftmals sehr kurzfristig mit einer entsprechenden Unterkunft versorgt werden müssen.
Bezüglich der nach Versorgung der genannten Personengruppen evtl. noch bestehenden Kapazitäten wurde mit Beschluss des Stadtrates vom 03.12.2018 der Unterbringung von Wohnungsnotfällen innerhalb der dezentralen Unterkünfte zugestimmt. Es wurde entschieden, diese Plätze den hier in besonders prekären Situationen befindlichen Menschen nach Einzelfallprüfung zur Verfügung zu stellen, um deren Notlagen zu lindern. Dies soll zudem die Möglichkeit einer späteren Überführung in ein reguläres Mietverhältnis fördern. Die derzeit noch bestehenden Plätze der dezentralen Unterkünfte werden daher bevorzugt zur Reduzierung akuter Wohnungslosigkeit der einheimischen Stadtbevölkerung genutzt.

  1. Stellungnahme zu den Anträgen

  1. Kommunale Befassungskompetenz

Bekanntermaßen haben Stadt und Regierung von Unterfranken sich im Jahr 2017 im Zusammenhang mit den Afghanistanabschiebungsanträgen intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Behandlung ausländerrechtlicher Themen in die kommunale Befassungskompetenz fällt.
Die von der KI beantragten Resolutionsteile Nr. 1 und 4 fallen aus den oben genannten Gründen sicher nicht in die kommunale Befassungskompetenz. Ihre Behandlung ist als unzulässig abzulehnen.
Die Anträge der Grünen, Seenotflüchtlinge in Aschaffenburg aufzunehmen und die Betreuung zu organisieren hat den geforderten örtlichen Bezug. Das Gleiche gilt für den inhaltlich entsprechenden Antrag Nr. 3 der KI. Bei Ziffer 2 des KI-Antrages käme es darauf an, welcher konkrete Inhalt damit gemeint ist.

  1. Inhaltliche Stellungnahme

Die Verwaltung ist der Ansicht, dass in Seenot geratene Flüchtlinge zu retten sind. Ob dies durch staatliche Rettungsschiffe oder durch nichtstaatliche Rettungsschiffe geschieht ist unerheblich.
Die Verwaltung ist weiterhin der Ansicht, dass den Geretteten die Möglichkeit gegeben werden muss, an Land untergebracht zu werden. Dies haben entsprechenden den internationalen Regelungen vorrangig die Mittelmeeranrainerstaaten zu gewährleisten. Allerdings dürfen auch diese Staaten mit der Flüchtlingsproblematik nicht allein gelassen werden. Eine angestrebte gemeinsame Lösung zur Verteilung der Flüchtlingskontingente auf europäischer Ebene ist als einzig wirksame Lösung zielführend.
Aus Sicht der Verwaltung ist es aber nicht zielführend, durch bevorzugte Aufnahme von in Seenot geratenen Flüchtlingen falsche Anreize zu setzen. Durch eine derartige bevorzugte Aufnahme von „Seenotflüchtlingen“ werden andere dazu verleitet, ebenfalls oder sogar verstärkt diesen äußerst gefährlichen Weg zu nutzen, um schneller an die gewünschten Aufenthaltsorte zu kommen. Eine Zweiklassengesellschaft von Flüchtlingen ist zu vermeiden.
Das generelle Angebot an Bund und Land zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aufgrund einer Aufnahmeentscheidung des Bundes oder der Länder im Rahmen der bestehenden Kapazitäten ist denkbar. Angesichts der bekannten Wohnungssituation in Aschaffenburg und den Erfahrungen anlässlich der Situation in den Jahren 2015 und 2016 erscheint die Akquisition zusätzlicher Wohnungen unwahrscheinlich und im Hinblick auf die Leerstände in staatlichen Unterkünften auch entbehrlich zu sein. Der dringende Bedarf hinsichtlich der dezentralen Unterkünfte für die Unterbringung bedürftiger Personen aus Aschaffenburg ist zu berücksichtigen.
Es wird darauf hingewiesen, dass nur bei förmlicher Zuweisung von Flüchtlingen durch die Regierung von Unterfranken eine Kostenerstattung möglich ist. Bei dem theoretischen Fall einer freiwilligen Aufnahme müssen alle Kosten (Lebensunterhalt, Unterbringung, Krankenhilfe etc.), die eine Aufnahme eines Flüchtlings mit sich bringen, alleine durch die Stadt Aschaffenburg getragen werden.

.Beschluss:

Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich angenommen

Datenstand vom 16.07.2019 08:34 Uhr