- Haushaltslage
Zwischenzeitlich wurde mehrfach im Stadtrat über die mutmaßlichen und tatsächlichen Auswirkungen der Coronakrise auf den Haushalt berichtet:
- Sitzung des Feriensenates am 20.04.2020
- Haupt und Finanzsenat am 18.05.2020
- Plenum am 28.5.2020
Auf der Basis der Steuerschätzungen des Bundes und des Bay. Städtetages wurden die möglichen Steuerausfälle auf rund 16 Mio. € beziffert.
Steuerschätzung Gewerbesteuer netto
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- 20 %
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- 11.400.000 €
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Steuerschätzung Einkommensteuer Gemeindeanteil
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- 8 %
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- 3.500.000 €
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Steuerschätzung Umsatzsteuer Gemeindeanteil
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- 1 %
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- 1.100.000 €
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Steuerausfall gesamt
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- 16.000.000 €
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Ebenso wenig konkret bezifferbar – aber wohl von weniger gravierenden Auswirkungen - sind Veränderungen im Verwaltungshaushalt, die bedingt sind durch die Schließung des Theaters, der Museen, der Stadtbibliothek, der Musikschule und der Volkshochschule. In der Quartalsberichterstattung im Haupt- und Finanzsenat am 18.5.2020 wurden die sonstigen Mehrbelastungen im Verwaltungshaushalt auf 2,2 Mio € beziffert. Insgesamt hätte man damit ein Verwaltungshaushaltsdefizit von mehr als 18 Mio € zu erwarten.
Das alles beinhaltet erhebliche Unwägbarkeiten. Selbst die Steuerschätzung des Bundes ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Nicht zuletzt deshalb beabsichtigt der Bund – entgegen der sonstigen Gepflogenheiten – eine erneute Steuerschätzung.
Neu ist zudem, dass der Koalitionsausschuss am 03.06.2020 beschlossen hat, ein Konjunkturpaket in der Größenordnung von 130 Milliarden Euro aufzulegen. Darin enthalten ist auch ein Entlastungspaket für die Kommunen. Die Eckwerte hierzu wurden zwischenzeitlich vom Deutschen Städtetag (Rundschreiben vom 4.6.2020) übermittelt. Die wesentlichen Passagen hieraus lauten:
„Kompensation der Gewerbesteuerausfälle
Vorgesehen ist, dass für die Gewerbesteuerausfälle für das Jahr 2020 hälftig vom Bund und hälftig von den jeweiligen Ländern ein „pauschalierter Ausgleich“ übernommen wird. Das Volumen beträgt voraussichtlich 6 Mrd. Euro für den Bund und 6 Mrd. Euro für die Länder.
Es wird davon ausgegangen, dass als Referenzgröße das für das Jahr 2020 nach Steuerschätzung vom November 2019 prognostizierte Aufkommen als Vergleich herangezogen wird. Es ist denkbar, dass dieser Ausgleich ein nach standardisierten Ansätzen ermitteltes gemeindeindividuelles Aufkommensniveau heranzieht. Dann findet eine vollständige Risikoübertragung von den Städten und Gemeinden hin zu Bund und Ländern statt. Voraussichtlich sind Verfassungsänderungen notwendig.
Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft
Die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft wird um 25 Prozentpunkte auf 75 % erhöht. Die Erhöhung der Bundesbeteiligung ist im Gegensatz zu anderen Maßnahmen des Konjunkturpakets zeitlich unbegrenzt. Das Volumen der weiteren Entlastung beträgt bundesweit 4 Mrd. Euro pro Jahr.
Die Grenze zur Bundesauftragsverwaltung soll mittels einer Verfassungsänderung entsprechend verschoben werden, sodass trotz der erhöhten Beteiligung keine Änderungen in der Organisationsstruktur notwendig sind. Durch die Anhebung der Bundesbeteiligung wird eine zentrale Ursache für die Kassenkredite der meisten Kommunen angegangen. Zugleich profitieren durch die Anhebung der Bundesbeteiligung alle Kommunen, wobei mit zunehmenden Sozialausgaben die Entlastungswirkung umso stärker ausfällt.
Mit der Erhöhung der Bundesbeteiligung wird eine langjährige zentrale Forderung der Städte nunmehr umgesetzt.
Wirkungen der Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und Erhöhung KdU
Diese beiden Maßnahmen – Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und Erhöhung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft – führen nach einer kursorischen Rechnung dazu, dass im Jahr 2020 ein Großteil der kommunalen Einnahmenausfälle und Mehrausgaben kompensiert werden dürften. Dabei wird für die kommenden Jahre 2021 und 2022 auch entscheidend sein, dass die Länder keine Kürzungen bei den Finanzausgleichsmassen vornehmen bzw. bei Verbundquotensystemen automatische Kürzungen aktiv verhindern. Geplante Investitionen der Kommunen dürften somit aufrechterhalten werden können.
Als Fazit ist festzuhalten, dass die coronabedingten Auswirkungen auf den Haushalt zurzeit nicht abschließend beurteilt werden können.
- Nachtragshaushalt 2020
Nach Art. 68 Abs. 2 BayGO ist eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, wenn
1. sich zeigt, dass trotz Ausnutzung jeder Sparmöglichkeit ein Fehlbetrag entstehen wird und der Haushaltsausgleich nur durch eine Änderung der Haushaltssatzung erreicht werden kann,
2. bisher nicht veranschlagte oder zusätzliche einzelne Aufwendungen und Auszahlungen beziehungsweise Ausgaben in einem im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen und -auszahlungen beziehungsweise Gesamtausgaben des Haushaltsplans erheblichen Umfang geleistet werden müssen,
3. Auszahlungen des Finanzhaushalts beziehungsweise Ausgaben des Vermögenshaushalts für bisher nicht veranschlagte Investitionen oder Investitionsförderungsmaßnahmen geleistet werden sollen,
4. Beamte oder Arbeitnehmer eingestellt, befördert oder in eine höhere Entgeltgruppe eingestuft werden sollen und der Stellenplan die entsprechenden Stellen nicht enthält.
Ein Fehlbetrag im Sinne der Nr. 1 ist in der Kameralistik ist die negative Differenz von Ist-Einnahmen und Ist-Ausgaben in der Jahresrechnung, also nach Ausführung des Haushaltsplans. Spätestens im Hinblick auf die Beschlüsse des Koalitionsausschusses ist nicht mehr zwingend davon auszugehen, dass ein Fehlbetrag zum Jahresende zu erwarten ist.
Unabhängig hiervon wurde in der Vergangenheit der reguläre Nachtragshaushalt nach den Sommerferien aufgestellt. Gegenstand des Nachtragshaushaltes waren in der Regel folgende wesentlichen Veränderungen:
Verwaltungshaushalt:
- Anpassung der Steueransätze nach Istaufkommen (Stand September) plus Prognose auf Basis der Steuerschätzung September 2020
- Gastschulbeiträge
- Anpassung der Verlustabdeckung/Gewinnabführung der Beteiligungen (Klinikum Stadtwerke, KuT)
- Einpflegen von Stadtratsbeschlüssen
Vermögenshaushalt:
- Anpassung der Ansätze aufgrund von Ausschreibungsergebnissen
- Anpassung der Ansätze aufgrund von zeitlichen Verschiebungen (Reduzierung von Ausgaberesten)
- Einpflegen von neuen Förderbescheiden
- Anpassung der Zuordnung von Verpflichtungsermächtigungen
- Einpflegen von Stadtratsbeschlüssen
Die genannten Veränderungen lassen sich zurzeit nicht mit hinreichender Sicherheit abschätzen, sodass aktuell ein Nachtragshaushalt nur Makulatur wäre. Der Nachtragshaushalt Oktober 2020 wird in jedem Fall erforderlich sein, weil sich erst zu diesem Zeitpunkt wesentliche Veränderungen mit hoher Wahrscheinlichkeit absehen lassen.
- Investitionsmoratorium
Um dem Stadtrat die nötigen Entscheidungsspielräume zu ermöglichen, hat die Verwaltung neue Ausgaben des Vermögenshaushaltes, die über die Entscheidungszuständigkeit des Oberbürgermeisters (50.000 € vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 3 und 7 Geschäftsordnung des Stadtrates) vorläufig bis zum 22.6.2020 gestoppt.
Trotz der Entscheidung des Koalitionsausschusses, die noch der Umsetzung in Gesetze des Bundestages und korrespondierender Regelungen der Länder bedarf, erscheint es ratsam, wenigstens die Großinvestitionen in gewissem Umfang vorläufig bis zur Verabschiedung des Nachtragshaushaltes im Oktober zu stoppen, um restliche Finanzlücken abzufangen. Als Grenze wird vorgeschlagen, die Investitionen mit einer Investitionssumme von mehr als 200.000 €, bei denen die Auftragsvergabe noch aussteht (vgl. 1. Quartalsbericht Vermögenshaushalt als Anlage), einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen.
Der Haupt- und Finanzausschuss soll in der Sitzung vom 13.7.2020 darüber entscheiden, welche dieser Investitionen sofort freigegeben werden sollen und welche erst auf der Basis des Nachtragshaushaltes freigegeben oder gestoppt werden sollen.
- Grundstücksveräußerungen
Unabhängig von coronabedingten Finanzlücken gibt es im Vermögenshaushalt noch eine große Finanzlücke, die daraus resultiert, dass der Stadtrat im März dieses Jahres nicht über die Veräußerung von Grundstücken entschieden hat, deren Verkaufserlöse als Einnahmen im Haushalt vorgesehen sind.
Es handelt sich hierbei um die Erlöse aus der Veräußerung von Grundstücken im Baugebiet Anwandeweg im einem Verkaufserlös von ca. 6,7 Mio. € (HSt. 6375.3401) sowie eines Grundstücks in Obernau, das im Wege des Vorkaufsrechtes erworben wurde, mit einem Wert von ca. 650.000 € (HSt. 6200.3401), insgesamt also um 7,3 Mio. €.
Für den Nachtragshaushalt 2020 muss klar sein, ob diese Verkaufserlöse noch erwartet werden können, oder ob die Lücke über eine Neuverschuldung geschlossen werden muss, wobei angesichts des hohen Investitionsvolumens im Vermögenshaushalt 2020 von 66 Mio. €, die Regierung bereit ist, diese Neuverschuldung zu genehmigen.
- Vorkaufsrechtsmoratorium
Das Plenum hat am 14.5.2018 mehrheitlich folgenden Beschluss gefasst:
„Das Vorkaufsrecht wird in folgenden Fällen grundsätzlich ausgeübt, sofern das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt:
- zum Erwerb öffentlicher Flächen und Ausgleichsflächen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB)
- in einem Umlegungsgebiet (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB), sofern nicht durch das ursprüngliche Rechtsgeschäft die Durchführung der Umlegung vereinfacht wird
- in einem förmlich festgesetzten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) für
- öffentliche Flächen,
- Brachflächen,
- Flächen, die einer Neuordnung bedürfen und
- unbebaute Grundstücke, auf denen Wohnungsbau möglich und eine Geschossfläche von mindestens 700 m² erreichbar ist
- bei unbebauten Flächen im Außenbereich mit der FNP-Darstellung „Wohnbaufläche“ (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB), sofern ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst wurde
- bei unbebauten Grundstücken in Gebieten, die nach §§ 30, 33 oder 34 Abs. 2 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB), sofern eine Geschossfläche von mindestens 700 m² erreichbar ist
- in Gebieten, für welche eine rechtskräftige Satzung auf Grundlage des § 25 Abs. 1 BauGB über ein „Besonderes Vorkaufsrecht“ besteht.“
Im Haushalt 2020 sind auf der HSt. 6200.9321 für derartige Erwerbe 600.000 € vorgesehen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass diese Summe meist ausreicht um ein Baugrundstück mit einer möglichen Geschossfläche von 700 m² zu erwerben. Der Finanzbedarf für ein Jahr hängt naturgemäß von der Anzahl der Vorkaufsrechtsfälle ab. Im Jahr 2019 lag der Finanzbedarf bei 2,3 Mio €. In diesem Zusammenhang sind die Bürger gleich zu behandeln. Wenn die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes vorliegen, sind die Vorkaufsrechte immer oder gar nicht auszuüben.
Im Hinblick auf die unabsehbaren Auswirkungen der Coronakrise, die nicht durch den bereits erwähnten Koalitionsbeschluss abgefangen werden können (Einkommensteuerausfälle, Umsatzsteuerausfälle, Mehrkosten beim Katastrophenschutz, Defizitabdeckungen bei städtischen Einrichtungen und Beteiligungen, Sozialhilfekosten etc.) sollte wie in anderen Städten (z. B. München) auch überprüft werden, ob zumindest der Vorkaufsrechtsbeschluss für unbebaute Grundstücke mit einer Geschossfläche von mindestens 700 m² für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 ausgesetzt werden kann.