Der Stadtrat beauftragte in der Sitzung des Haupt- und Finanzsenates am 24.06.2019 die Verwaltung, ein Gesamtkonzept für Blühflächen zur Förderung der Artenvielfalt erarbeiten zu lassen. Grundlage waren Stadtratsanträge der CSU, SPD und Stadträtin L. Kapperer im Rahmen des Volksbegehrens „Artenvielfalt - Rettet die Bienen“ (Febr. / März 2019). Für die Erarbeitung eines solchen Blühflächenkonzeptes stellte der Stadtrat einen Betrag von zunächst bis zu 25.000 € bereit (HVS 24.06.2019) und stimmte einer Erhöhung der Mittel um ca. 11.000,00 € in der Sitzung des Haupt- und Finanzsenates (HVS) am 20.04.2020 zu. Der Auftrag an das Planungsbüro PAN GmbH aus München mit einer Gesamtsumme von 35.860,65 € (brutto) wurde am 27.04.2020 erteilt und die Summe auf der Haushaltstelle 0.3600.6551 (Naturschutz/ Sachverständigenkosten) bereitgestellt.
Das 2019 erfolgreich durchgeführte Volksbegehren sowie der weltweit dramatische Rückgang der Artenvielfalt führten in der Politik, in Verbänden, Ämtern und in der Bürgerschaft zu einem stärkeren Bewusstsein für Blühflächen und Naturschutzbelangen. Die Stadt Aschaffenburg, insbesondere das Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz, erreichen seitdem vermehrt Anfragen von Bürgern zur Anlage von Blühflächen. Darüber hinaus ist es rechtlich verpflichtend, in „freier Natur“ nur gebietsheimisches (autochthones) Saat- und Pflanzgut zu verwenden.
Unter Blühflächen werden nicht nur eigens dazu angesäte Blühstreifen verstanden. Es zählen hierzu v. a. alle extensiv genutzten Biotopflächen und Nutzungstypen, die eine besondere Funktion als Lebensraum, Wirts- und Nahrungspflanzen für Insekten haben (können) (vgl. Definition Blühflächen im Konzept).
Mit seiner Vorgehensweise und Inhalt knüpft das vorliegende Blühflächenkonzept an die Ziele und Maßnahmen des städtischen Arten- und Biotopschutzprogramms und damit auch an den rechtlich verbindlichen Landschaftsplan an.
Um langfristig eine fundierte und nachhaltige Herangehensweise zu bewirken, sollte ein ämterübergreifendes Gesamtkonzept erstellt werden, welches als Handlungsleitfaden für alle beteiligten Stellen zur Verfügung steht und für eine künftig angedachte „Blühflächenkoordination“ zur Umsetzung als Grundlagenwerk fungiert.
Bereits seit vielen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ämtern der Stadtverwaltung, den Bienenzuchtvereinen, Obst- und Gartenbauvereinen, Naturschutzverbänden und den ortsansässigen Landwirten, wodurch zahlreiche Projekte und Umweltbildungsmaßnahmen initiiert sowie neue Ideen entwickelt werden konnten.
Das seit 2017 bestehende Aktionsbündnis „Aschaffenburg summt!“ konnte bereits etliche Aktivitäten für die biologische Vielfalt in Aschaffenburg durchführen und durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit weitere Kooperationen schaffen. Daneben haben die für die städtischen Flächen zuständigen Dienststellen – Garten- und Friedhofsamt, Tiefbauamt, Liegenschaften, Stadtbau GmbH, Stadtwerke/ AVG, Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz/untere Naturschutzbehörde ̶ auf ihren Flächen bereits Maßnahmen zur Förderung von Blühflächen umgesetzt, um Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu schaffen und zu entwickeln. Diese und weitere Aktivitäten sollen im Blühflächenkonzept gebündelt und gelenkt werden.
Aufgabe war daher, ein Zonenkonzept für das Stadtgebiet und ein Flächenkataster für Blühflächen in städtischem Eigentum nach naturschutzfachlichen Standards zu erstellen. Darin sollte u.a. auch ein städtisches Förderprogramm zur Bezuschussung von Saat- und Pflanzgut entwickelt werden.
Um die umfangreichen Aufgaben zur Umsetzung des Konzeptes bewältigen zu können, war vorgesehen ein Beratungs- und Schulungskonzept einschließlich einer Abschätzung des dafür notwendigen Personal- und Haushaltsmittelbedarfs zu erarbeiten. Die Konzepterstellung sollte außerdem Vorschläge für bewusstseinsbildende und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen und deren konkrete Umsetzung beinhalten.
Die Erstellung des Blühflächenkonzeptes erfolgte in einem engen Beteiligungsprozess mit den zuständigen Ämtern der Stadt Aschaffenburg, der Stadtbau GmbH und der Stadtwerke/AVG.
Ergebnisse:
In einem dicht besiedelten Stadtraum sind verschiedene z.T. konkurrierende Ansprüche unumgänglich. Daher gilt es, im Einzelfall für alle Beteiligten tragbare Kompromisse zu finden, die je nach Nutzung und Standort Flächen bereitstellen, die Ihren Zweck erfüllen und zugleich die heimische Artenvielfalt in Aschaffenburg nachhaltig fördern. Hierzu bietet das Konzept für die verschiedenen Nutzungstypen konkrete Maßnahmenvorschläge die Biodiversität zu erhöhen. Beispielsweise können artenreiche Wiesen und Säume durch Übertragung von Mahdgut aus geeigneten blütenreichen Spenderflächen und Anpassung der Pflege in Bereichen von Wohnbauflächen oder Parkanlagen entwickelt werden. Dabei können intensiver genutzte Bereiche z.B. durch regelmäßige Mahd von Wegen auch gestalterisch eingesetzt werden. Dies gilt es im konkreten Fall zielgruppenspezifisch zu ermitteln, praktisch umzusetzen und öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren.
Hauptziel dieses aufwendigen Prozesses ist ein praxistaugliches Konzept, welches zum einen von den betreffenden Ämtern bei konkreten Maßnahmen als Hilfestellung herangezogen werden kann und zum anderen als Grundlagenwerk für eine/n künftig zuständige/n Blühflächenkoordinator*in zur Umsetzung des Blühflächenkonzeptes dient. Das Blühflächenkonzept soll zudem im Rahmen von Beratungstätigkeiten eine nachvollziehbare und klare Kommunikationsgrundlage nach außen bieten.
Das Blühflächenkonzept setzt sich aus folgenden Teilen zusammen:
- Textteil (inklusive Maßnahmenblätter)
- Karte Zonenkonzept (gesamtes Stadtgebiet)
- Darstellung Flächenkataster in 6 Detailkarten Blühflächenkonzept im Maßstab 1:5.000
Zonenkonzept
Im städtischen Raum spielt die Akzeptanz von naturnahen Blühflächen eine wichtige Rolle. Dabei wird im innerstädtischen Bereich vor allem Wert darauf gelegt, dass Grünflächen ästhetisch ansprechend aussehen. Aus naturschutzfachlicher Sicht müssen Blühflächen jedoch v.a. Lebensraum und Nahrungsgrundlage der heimischen Tiere und Pflanzen sein. Entscheidend ist hierbei die Verwendung von gebietseigenem regionalem Saat- und Pflanzgut und der Verzicht auf Pflanzenschutz- und Düngemittel, um die charakteristische regionale Pflanzenvielfalt zu fördern. Denn eine Vielzahl heimischer Tierarten sind an diese Vegetation in ihrem Entwicklungszyklus angepasst und können ohne diese nicht überleben.
Um diese unterschiedlichen Belange zu berücksichtigen und konkrete Ziele und Maßnahmen formulieren zu können, wurde ein dreistufiges Zonenkonzept entwickelt. Diese Zonen teilen das Stadtgebiet anhand definierter Kriterien in die Zone I: Stadtraum (z.B. Wohnbauflächen, Ver- und Entsorgungsanlagen oder öffentliche Grünanlagen), Zone II: Naturzone (Schutzgebiete und wertvolle Biotopflächen) und Zone III: Entwicklungszone (landwirtschaftliche Flächen und Wald) ein.
Detailkarten Blühflächenkonzept
Inhalt der Detailkarten sind neben dem Zonenkonzept u. a. insektenrelevante Biotopflächen wie Streuobstwiesen, Magere Trockenstandorte, Lehm- und Lösswände oder artenreiches Grünland, geeignete Spenderflächen sowie das Blühflächenkataster mit den bestehenden und geplanten Blühflächen nach Initiative/ Flächeneigentümer.
Die zur Bearbeitung des Blühflächenkonzepts bekannten naturschutzrelevanten Daten sowie Flächen zum Blühflächenbestand und zur Planung im Stadtgebiet wurden digitalisiert und flurstücksgenau mit dem Zonenkonzept verschnitten. Diese werden in insgesamt 6 Detailkarten bzw. Kartenausschnitten des Stadtgebietes im Maßstab 1: 5.000 dargestellt.
Insgesamt liegen im Kataster aktuell 118 Bestandsflächen mit einem Flächenumfang von knapp 18 ha vor. Die Flächengrößen sind sehr unterschiedlich und reichen von 12 m² bis zu 27.592 m². Diese müssen langfristig fortgeführt und regelmäßig aktualisiert werden.
Informationen zu Saatmischungen und Pflanzenauswahl sowie städtisches Förderprogramm
Um die regionale Biodiversität zu fördern und eine Florenverfälschung einzudämmen darf gemäß §40 Abs. 1 BNatSchG seit März 2020 in der freien Natur ausschließlich Saat- und Pflanzgut mit gesicherter gebietseigener Herkunft ausgebracht werden. Um eine klare Vorgehensweise zu ermöglichen, werden Informationen zur Verwendung von Saatgutmischungen und Gehölzen für die jeweiligen Zonen und Standorte im Stadtgebiet Aschaffenburg benannt sowie Möglichkeiten zur regionalen Produktion und Vermarktung bzw. Vermittlung aufgezeigt. Durch gezielte Angebote für die Landwirtschaft, Bürger*innen, Kleingartenbesitzer*innen oder Unternehmen in Form von Ausgleichszahlungen, Gutscheinen oder Saatgutbereitstellung sollen Anreize zur Umsetzung geschaffen werden. Kosten- und Finanzierungsmöglichkeiten wurden über einen Zeitraum von 5 Jahren ermittelt und tabellarisch dargestellt.
Beratungs- und Schulungskonzept
Das Beratungs- und Schulungskonzept sieht vor, einen Beraterstab Blühflächen bestehend aus Blühflächenkoordinator*in, Blühflächenpartner und ehrenamtlichen Fachberater*innen aufzubauen. Eine erfolgreiche Umsetzung des Blühflächenkonzepts der Stadt Aschaffenburg hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, alle relevanten Akteur*innen zu aktivieren, zu motivieren und das hierfür notwendige Wissen zu vermitteln. Dies soll zielgruppenspezifisch über ein Angebot von Online-Schulungen, Einzelberatungen oder Runden Tischen geschaffen werden. Eine Kostenschätzung mit Finanzierungsmöglichkeiten sind für einen Zeitraum von 5 Jahren kalkuliert.
Blühflächenkoordination:
Zur Umsetzung des Blühflächenkonzeptes und somit zur nachhaltigen Unterstützung der Artenvielfalt in Aschaffenburg sind höhere personelle Anforderungen gegeben, die unter der derzeitigen Personalsituation nicht zu bewerkstelligen sind. Durch PAN wird hierfür mindestens eine 50 % Stelle zur Umsetzung als notwendig angesehen.
Zur Gesamtkoordinierung der Blühflächenaktivitäten in der Stadt Aschaffenburg soll der/die Blühflächenkoordinator*in u.a. folgende Aufgaben übernehmen:
- Ansprechpartner*in und fachliche Koordinierung aller Blühflächenmaßnahmen
- enge Zusammenarbeit mit dem Amt für Umwelt und Verbraucherschutz / uNB
- Lenkung und Bündelung der verschiedenen Aktivitäten und Akteure
- Führung des Blühflächenkatasters (regelmäßige Prüfung bzgl. Aktualität, Pflegemaß-nahmen, Aufnahme neuer Flächen, etc.)
- Vermittlung von Saat- und Pflanzgut und mögliche Spenderflächen
- Öffentlichkeitsarbeit
- Entwicklung von Beratungs- und Schulungsangeboten in Zusammenarbeit mit der Bayer. Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) und der Bayer. Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG)
- Planung und Durchführung von Veranstaltungen und Aktionen zum Blühflächenkonzept
- Beratung verschiedener Zielgruppen (v.a. Bürger*innen, Landwirte, Flächeneigentümer)
- Akquise und Beratung der Multiplikatoren und Kooperationspartner.
Information- und Kommunikation
Zur erfolgreichen Etablierung des Blühflächenkonzeptes in Aschaffenburg und besseren Sichtbarkeit spielt die Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung der Bürger*innen eine entscheidende Rolle. Dies soll durch eine kontinuierliche Medienpräsenz, verschiedene Veranstaltungen oder der Entwicklung von Broschüren gewährleistet werden, welche im Konzept benannt und erforderliche Kosten für einen Zeitraum von 5 Jahren abgeschätzt wurden.
Gesamtkosten und Förderprogramme
Für die Umsetzung des Blühflächenkonzeptes werden nach der Kalkulation und Kostenschätzung von PAN jährlich etwa 27.000 € für städtische Fördermaßnahmen, das Beratungs- und Schulungskonzept sowie Informations- und Kommunikationsmittel benötigt. Die zur Finanzierung der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verfügung stehenden Förderprogramme mit den jeweiligen Modalitäten werden vorgestellt und bewertet.
Im Weiteren wird auf das Blühflächenkonzept und den mündlichen Bericht des Büro PAN, Referentin Christine Simlacher, verwiesen.
Beschluss:
- Der Bericht über das Blühflächenkonzept wird zustimmend zur Kenntnis genommen, der Stadtrat beschließt dessen Umsetzung.
- Der Stadtrat empfiehlt für die Umsetzung des Konzeptes die Schaffung einer halben Vollzeitstelle „Blühflächenkoordinator“ gemäß den Empfehlungen des Konzeptes und die jährliche Bereitstellung von Haushaltsmitteln in Höhe von ca. 27.000 € zur Maßnahmenumsetzung.