Kostenlose ÖPNV-Nutzung an Samstagen
Zum 01.12.2018 wurde an Samstagen die kostenlose Nutzung des ÖPNV innerhalb der Stadtgrenzen Aschaffenburgs eingeführt. Diese Regelung beinhaltet in den Tarifzonen 9111-9116 die Nutzung aller Verkehrsangebote der Verkehrsgemeinschaft am Bayerischen Untermain (VAB GmbH) und somit den Stadt- und Regionalbusverkehr sowie den Schienenverkehr auf der Relation Aschaffenburg-Hauptbahnhof – Obernau.
Der Einnahmeausfall der Verkehrsunternehmen der VAB aus den Tarifzonen 9111-9116 (Stadt/Stadtteile Aschaffenburg) wird über den städtischen Haushalt ausgeglichen. Das Angebot des kostenlosen ÖPNV wurde zunächst für die Zeitdauer von 2 Jahren befristet. Für den Beginn des Jahres 2020 war eine Evaluierung der Maßnahme vorgesehen, die auf Grund der Pandemie ausgesetzt und auf 2022 verschoben wurde. Der Testzeitraum wurde deshalb bis zum 31.12.2022 verlängert.
Ein Blick auf die Fahrgastzahlen in Bild 1 von durchschnittlichen Samstagen zeigt, den deutlichen Anstieg von ca. 9.300 auf 16.200 Fahrgäste mit der Einführung der kostenlosen ÖPNV-Nutzung.
Bild 1: Mittlere Fahrgastzahlen an durchschnittlichen Samstagen
Bedingt durch die Pandemie wurde das Jahr 2020 aus der Betrachtung gelassen. In den Jahren 2021 und 2022 sind die Fahrgastzahlen wieder gestiegen und haben momentan etwa das Niveau aus dem Jahr 2018 erreicht.
Eine Fahrgastbefragung aus dem Jahr 2019 brachte folgende wesentliche Erkenntnisse:
- 67% der Fahrgäste nutzt den ÖPNV nur, weil die Beförderung kostenlos ist.
- 41% der Fahrgäste sind bereits vorher mit dem ÖPNV gefahren.
- Ebenfalls 41 % der Fahrgäste haben vorher den Pkw genutzt.
- 59% der Fahrgäste haben bereits vorher schon die Verkehrsmittel des Umweltverbunds genutzt (Fuß+Rad+ÖPNV)
- 72% der normalerweise "zu Fuß gehenden" und 73% der "Radfahrenden" gaben an, den ÖPNV nur wegen der kostenlosen Beförderung zu nutzen. Gerade diese Verschiebung ist aber ökologisch fraglich.
1-Euro-Ticket an Sonn- und Feiertagen
Das 1-Euro-Ticket an Sonn- und Feiertagen wurde zum 01.01.2021 eingeführt und entspricht einer Tageskarte sowohl für Erwachsene als auch für Kinder in der Preisstufe 11 (Stadt Aschaffenburg). Trotz des gleichen Fahrpreises werden für Erwachsene und Kinder getrennte Tickets ausgegeben, damit die Entwicklung der Fahrscheinverkäufe exakter nachvollzogen werden kann.
Die Einführung wurde zunächst auf ein Jahr befristet und sollte in diesem Zeitraum bewertet werden. Auf Grund der unklaren Datenlage wegen der Corona-Situation wurde der Testzeitraum bis 31.12.2022 verlängert und die Evaluierung verschoben.
Im Referenzjahr 2019 wurden an Sonn- und Feiertagen in der Preisstufe 11 (Stadt Aschaffenburg) mehr als 25.000 Fahrscheine verkauft. Im Jahr 2021 wurden insgesamt ca. 15.000 1-Euro-Tickets verkauft (60% im Vgl. zum Jahr 2019). Die gesunkene Nachfrage lässt sich auf die Corona-Pandemie und Änderungen im Tarifsortiment zurückführen (12-Euro-Schülerticket, Auf-Achse-Ticket für jeden Wochenendtag). Dies wird auch durch den Vergleich der Fahrgastzahlen in Bild 2 unterstrichen: Hier wurde im Jahr 2021 70% des Niveaus aus dem Jahr 2019 gehalten – im Jahr 2022 sind es bislang sogar 84%.
Bild 2: Fahrgastzahlen nach Jahren an durchschnittlichem Sonntag
Fazit
Die Gesamtwirkung der Tarifprodukte am Samstag sowie Sonn- und Feiertage ist auch im Jahr 2022 noch coronabeeinflusst. Während an Samstagen in 2022 das Vor-Corona-Niveau wiedererreicht wurde, sind die Fahrgastzahlen am Sonntag erst auf dem Weg dorthin. Auch wenn das ursprüngliche Ziel einer Substituierung von MIV-Fahrten offensichtlich nicht mit den Tarif-Anreizen gelungen ist, so konnten vermutlich noch höhere Fahrgastrückgänge durch Corona abgefangen werden. Verwaltung und Stadtwerke sprechen sich dafür aus, den Probebetrieb bis zum 31.12.2023 zu verlängern. Mitte oder Ende 2023 sollten verlässliche Zahlen vorliegen, in denen auch Sondereffekte wie das 9-Euro-Ticket eingeordnet werden können.
Bei einer möglichen dauerhaften Einrichtung der Sondertarife für samstags und sonntags wird ein ausschließlicher digitaler Vertrieb empfohlen, z. B. über die fairtiq-App. Dies beschleunigt den Fahrgastwechsel und entlastet das Fahrpersonal. Zudem gestaltet sich die nachgelagerte Abrechnung sehr viel einfacher, weil nicht mehr bei allen beteiligten Verkehrsunternehmen die Erlösdaten abgefragt werden müssen.
Antrag der KI: 1-Euro-Ticket auch für die Werktage Montag bis Freitag
Die KI hat mit Antrag vom 13.01.2022 zur Prüfung gestellt, wie sich die Ausweitung des 1-Euro-Tickets auf die Werktage Montag bis Freitag auf den Zuschussbedarf durch den städtischen Haushalt auswirkt.
Zunächst muss beachtet werden, dass ein ganzjähriger 1-Euro-Tarif und samstags frei sämtliche Tarife in der Preisstufe 11 (Stadt Aschaffenburg) unterläuft, d. h. für den preisbewussten Kunden keinen Grund mehr gibt, Zeitfahrkarten welcher Art auch immer zu erwerben. Stattdessen müsste für jede Fahrt ein Einzelfahrschein beim Fahrer erworben werden, was zu erheblichen Verspätungen führt. Hier wäre zwingend ein alleiniger digitaler Vertrieb erforderlich. Bei einer 1-Euro-Tageskarte beläuft sich der monatliche Ausgleichsbedarf durch den städtischen Haushalt auf mindestens 100.000 €. Hierbei wurden lediglich die Fahrscheinverkäufe aus dem Jahr 2020 als Basis der Berechnung herangezogen worden. Evtl. Fahrgaststeigerungen auf Grund des neuen Angebots sind nicht berücksichtigt.
Problematisch ist die Gefahr der Überkompensierung, wenn höhere Ausgleichszahlungen geleistet werden als im Vergleich zum Normaltarif erzielt worden wären. Beispiel: Ein Fahrgast fährt 20 Tage zu 1 € = 20 € Fahrgelderlöse + 20 x 2,80 € Ausgleichsbetrag = 76 € Gesamterlös für den Verkehrsbetrieb. Durch den niedrigeren Monatskartenpreis von 45,20 € liegt eine Überkompensation von 30,80 € vor.
Den Gültigkeitsbeginn des Tickets auf 9 Uhr anzuheben, ähnlich dem Auf-Achse-Ticket an den Werktagen Mo-Fr, mildert den Tarif-Unterlauf, da Berufspendler weiterhin auf die bestehenden Zeitfahrangebote angewiesen sind. Die Berechnung der Erlösausfälle gestaltet sich dadurch schwieriger.
Für das kommende Jahr 2023 ist in Anlehnung an das 9-Euro-Ticket mit der Einführung eines neuen Nahverkehr-Tickets zu rechnen. Nähere Details liegen hierzu bislang noch nicht vor. Die Verwaltung empfiehlt aber, die Kreation neuer VAB-Tarife zurückzustellen. Das zu erwartende Nahverkehrs-Ticket wird vom Bund / Staat finanziell gefördert, während eigene Sondertarife den städtischen Haushalt direkt belasten.
Bezeichnung aller Anlagen (Pläne, Anträge, Sonstiges):
Antrag der KI vom 13.01.2022