Bürgerbegehren "Gegen die Missachtung des Bürgerwillens" a) Feststellung des Vorliegens der Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 bis 4 der Bürgerentscheidssatzung b) Bestellung des stellvertretenden Abstimmungsleiters gemäß § 11 Satz 3 Bürgerentscheidssatzung c) Festlegung des Tages der Abstimmung gemäß § 19 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 der Bürgerentscheidssatzung d) Stellungnahme des Stadtrates zum Bürgerbegehren gemäß § 25 Abs. 3 der Bürgerentscheidssatzung


Daten angezeigt aus Sitzung:  9. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 17.07.2017

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 9. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 17.07.2017 ö Beschließend 9pl/9/9/17

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

A. Sachverhalt:


Am 30.06.2017 wurde bei der Stadt Aschaffenburg ein Antrag auf Durchführung eines Bürger-entscheids abgegeben, zu dessen Unterstützung hauptsächlich Unterschriftslisten, daneben aber auch mit Unterschriften versehene Postkarten und Flyer, insgesamt 894 Dokumente eingereicht wurden, die wiederum insgesamt 3750 Unterschriften enthielten und welchen folgender Text beigefügt war:

„ …Deshalb beantragen wir einen erneuten Bürgerentscheid mit folgender Fragestellung:

Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Stadtrates vom 24.10.2016, der den vierspurigen Ausbau der B26 wiederum billigt, aufgehoben wird und alle politischen und rechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, um einen vierspurigen Ausbau der B26 zu verhindern?“

Bis 17.07.2017, 12.00 Uhr, wurden noch ZZZZ Unterstützungsunterschriften nachgereicht.

B. Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

Ein Bürgerbegehren ist grundsätzlich für zulässig zu erklären, wenn es eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthält sowie bis zu drei Personen benennt, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten (Art. 18a Abs. 4 Satz 1 der Gemeindeordnung (GO); formelle Rechtmäßigkeit). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Entscheidungsgegenstand eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises ist (Art. 18a Abs. 2 GO) und kein gesetzlicher Ausschlussgrund vorliegt (Art. 18a Abs. 3 GO; inhaltliche Rechtmäßigkeit). Schließlich müssen bei einer Stadt mit der Einwohnerzahl Aschaffenburgs mindestens 6 % der Gemeindebürger das Bürgerbegehren unterschrieben haben (Art. 18a Abs.6 GO).

  1. Formelle Rechtmäßigkeit

Das Bürgerbegehren enthält eine zulässige Fragestellung. Unschädlich ist hierbei, dass die Fragestellung aus zwei Teilen besteht, da diese eindeutig in einem sachlichen Zusammenhang (Ausbau der B26) stehen.

Die gesetzlich vorgesehene Begründung ist vorhanden. Als Vertreter des Bürgerbegehrens werden auf den Unterschriftenlisten drei Vertreter benannt, so dass insgesamt die formelle Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens gegeben ist. Dass eine vierte - ausdrücklich als Ersatzperson bezeichnete -
vertretungsberechtigte Person auf den Unterschriftenlisten benannt ist, kann rechtlich nicht beanstandet werden.

  1. Inhaltliche Rechtmäßigkeit

Die inhaltliche Rechtmäßigkeit hängt entscheidend davon ab, welchen Inhalt die durch den späteren Bürgerentscheid herbeizuführende Entscheidung haben wird. Dies ist notfalls durch Auslegung zu ermitteln. In ständiger Rechtsprechung geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) davon aus, dass keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen, da bei den Bürgern keine besonderen verwaltungsrechtlichen Kenntnisse vorausgesetzt werden dürfen.

Der erste Teil des Bürgerbegehrens zielt darauf ab, den Beschluss des Stadtrates vom 24.10.2016 aufzuheben. Auszug aus dem Beschluss vom 24.10.2016:

„ Beschluss 4:
1.
Der Bericht der Verwaltung wird zur Kenntnis genommen.


2.
Für die Beurteilung der baulichen Veränderungen an der Darmstädter Straße im Stadtgebiet von Aschaffenburg werden folgende Zielsetzungen beschlossen:

2.1
Umfassende Gestaltung der straßenbegleitenden Flächen vom Waldfriedhof bis zum Ring durch landschaftsgestalterische Maßnahmen als „Grünes Eingangstor“ der Stadt;

2.2
Erhaltung und Wiederherstellung der historischen Alleewirkung als
- Pappelallee vom Ring bis zur Schönbuschzufahrt und
- Pappelreihe auf dem Mittelstreifen von der Schönbuschzufahrt bis zum Waldfriedhof;

2.3
Stärkung des Park Schönbusch als Naherholungsgebiet durch verbesserte Erreichbarkeit für alle Verkehrsteilnehmer;

2.4
Verbesserung der Erschließung des Hafens durch den ÖPNV im Rahmen der Umsetzung des Nahverkehrsplans;

2.5
Verbesserte Erreichbarkeit des Oberzentrums Aschaffenburg von Westen;

2.6
Stärkung und dauerhafte Sicherung der Westanbindung des Hafens an die B469/ BAB;

2.7
Beschränkung des Knotenpunktausbaus an der B 26 auf die Knoten
- Hafen-West/Waldfriedhof,
- Hafen-Mitte/Schönbusch und
- Sicherstellung einer leistungsfähigen Verkehrsabwicklung am Knoten Hafen-Ost/Auweg;

2.8
Bedarfsgerechter Ersatzbau für die 100 Jahre alte Hafenbahnbrücke zwischen den Knoten Hafen-Mitte und Hafen-Ost mit straßenbegleitenden Fuss- / Radwegen zu den Sportplätzen südlich der Darmstädter Straße bei Aufrechterhaltung aller Fahrbeziehungen während der Bauzeit;

2.9
Erweiterung der Parkplätze am Waldfriedhof östlich des Stockstädter Wegs als gestalteter Grünraum;

2.10
Festlegung eigenständig realisierbarer Ausbauabschnitte im Planfeststellungsbeschluss;

2.11
Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung auf der Großostheimer Straße zwischen Lorbeerweg und Hafenbahnbrücke durch geschwindigkeitsdämpfende Regelungen, die Anlage von begleitenden Fußwegen, barrierefreien Fußgängerüberwegen, barrierefreien Bushaltestellen und richtliniengerechten Radwegen;

2.12
Realisierung verkehrsleitender Maßnahmen am Knoten Großostheimer Straße/Obernburger Straße zur Führung des Verkehrs in Richtung Darmstädter Straße.

3.
Der Stadtrat spricht sich für eine Wiederaufnahme des ausgesetzten Planfeststellungsverfahrens
zum Ausbau der B 26 zwischen der Stadtgrenze Aschaffenburg und Hafenbahnbrücke aus. Die bisher vorgesehene Schutzwand entlang des Schönbuschs wird als Bestandteil des Planfest-stellungsverfahrens aufgegeben.

4.
Die Verwaltung wird beauftragt, für das Projekt des Freistaats Bayern: „Ausbau der B 26  im Stadtgebiet von Aschaffenburg“ auch städtischerseits eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, dazu werden unter anderem im Internetauftritt der Stadt die Gutachten, die die staatliche Bauverwaltung freigibt, öffentlich eingestellt. Dieses Informationsangebot wird bis zum Ende des Planfeststellungsverfahrens aufrechterhalten.“

Nach Anschauung der Verwaltung ist das Bürgerbegehren so auszulegen, dass es sich lediglich auf die Aufhebung des Beschluss 4 in den Ziffern 2, 3 und 4 bezieht, da nur diese Ziffern des Beschlusses sich inhaltlich mit dem Ausbau der B 26, der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt befassen, also inhaltlich den Ausbau „billigen“.

Derzeit ruht das Planfeststellungsverfahren. In Ziffer 3 des Beschlusses vom 24.10.2016 spricht sich der Stadtrat für die Wiederaufnahme des Planfeststellungsverfahrens aus. In Ziffer 2 geht es um Zielsetzungen für die Beurteilung der baulichen Veränderungen an der Darmstädter Straße im Stadtgebiet von Aschaffenburg. Mit Ziffer 4 wird die Verwaltung beauftragt, auch städtischerseits eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Gegenstand des Stadtratsbeschlusses sind damit – im Gegensatz zum Bürgerbegehren aus dem Jahre 2013 „Keine Stadtautobahn am Schönbusch!“ -  zwar keine konkreten Stellungnahmen oder Einwände im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens. Allerdings sprechen sich die Beschlüsse inhaltlich für eine Fortführung und auch Unterstützung des Planfeststellungsverfahrens aus.

Wie unter Ziffer 3 a) bb) im Gutachten der Rechtsstelle der Stadt Aschaffenburg zum Bürgerbegehren
„Keine Stadtautobahn am Schönbusch!“ aus dem Jahre 2013 ausgeführt, sind Bürgerentscheide, die sich auf gemeindliche Stellungnahmen in förmlichen Genehmigungs- oder Anhörungsverfahren beziehen, zulässig. Dies gilt auch für Planfeststellungsverfahren. Da sich die Ziffern 2, 3 und 4 des Stadtratsbeschlusses auf das Planfeststellungsverfahren beziehen und die Auffassung der Stadt Aschaffenburg zu diesem Verfahren widerspiegeln, hat das Bürgerbegehren im ersten Teil der Fragestellung einen zulässigen Inhalt.

Der zweite Teil der Fragestellung ist dahingehend zu interpretieren, dass alle zulässigen rechtlichen Maßnahmen gegen den Ausbau der B26 ausgeschöpft werden sollen und zulässige Klagen dagegen erhoben werden sollen (vgl. hierzu auch BayVGH, Urteil vom 16.3. 2001, 4 B 99.318). Bei einer großzügigen Auslegung der Fragestellung sind weitere rechtliche Maßnahmen wie Petitionen und Beschwerden denkbar.

Zusammenfassend muss man zu dem Ergebnis kommen, dass das vorliegende Bürgerbegehren insgesamt hinsichtlich des materiell-rechtlichen Gehalts seiner Fragestellung zulässig ist.


  1. Zahlen der Eintragungen auf den Unterstützungslisten des Bürgerbegehrens

Nach Art. 18a Abs.6 GO ist ein Bürgerbegehren in Aschaffenburg nur zulässig, wenn es von mindestens 6 % der Gemeindebürger unterschrieben ist. Gemeindebürger ist, wer in der betreffenden Gemeinde kommunalwahlberechtigt ist (Art. 15 Abs. 2 der Gemeindeordnung).Entscheidend ist, wer zum Zeitpunkt der Einreichung (30.06.2017) Gemeindebürger ist (Art. 18a Abs. 5 GO). Am Stichtag 30.06.2017 waren dies nach Feststellung der Meldebehörde 53.206 Personen, womit das Quorum von 6 % bei 3.192Personen liegt. Von den insgesamt eingereichten NNNN Eintragungen konnten nach umfassender und sorgfältiger Prüfung durch das Bürgerservicebüro XXXX Eintragungen als gültig geleistet anerkannt werden, während YYYY Eintragungen aus den verschiedensten Gründen (Unterschrift fehlt, Eintragung unlesbar oder offensichtlich unzutreffend, Unterzeichner hat nicht das 18. Lebensjahr vollendet, keine deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit, wohnt nicht in Aschaffenburg etc.) ungültig sind. Hinsichtlich des Quorums erfüllt das Bürgerbegehren

Beschlussvorschlag Variante A: die Zulässigkeitsvoraussetzungen

Beschlussvorschlag Variante B: nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen


C. Entscheidungsnotwendigkeiten

Der Stadtrat muss im Zusammenhang mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden gemäß der
Bürgerentscheidssatzung der Stadt Aschaffenburg folgende Entscheidungen treffen:

§ 7 Abs. 1 der Satzung:                           Feststellung der gültigen und ungültigen Eintragungen
                                                                     und Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens

Im Falle der Zulassung des Bürgerbegehrens ferner:

§ 11 :                                                Bestellung des stellvertretenden Abstimmungsleiters

§19 Abs.1:                                        Festsetzung des Abstimmungstages

§ 25 Abs.3 :                                        Darlegung der Auffassung des Stadtrates zum
Bürgerbegehren (Beschlussfassung erfolgt ggf.im
Zusammenhang mit dem entsprechenden
Stadtratsbegehren)

.Beschluss: 1

1. Der Text des Bürgerbegehrens „Gegen die Missachtung des Bürgerwillens“ wird entsprechend dem Wortlaut der eingereichten Unterschriftenlisten wie folgt festgelegt:

„Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Stadtrates vom 24.10.2016, der den vierspurigen Ausbau der B 26 wiederum billigt, aufgehoben wird und alle politischen und rechtlichen Maßnahmen ergriffen werden, um einen vierspurigen Ausbau der B26 zu verhindern?“


.

Abstimmungsergebnis:
Einstimmig angenommen

.Beschluss: 2

2. . Für das Bürgerbegehren liegen vor:
gültige Eintragungen:                                        3537
ungültige Eintragungen:                                        1127
erforderliche Mindestanzahl gültiger Eintragungen:        3.192
3. Das Bürgerbegehren ist zulässig.

Abstimmungsergebnis:
Einstimmig angenommen

.Beschluss: 3

4. Der Bürgerentscheid findet vorbehaltlich der Zustimmung durch das Bayerische Staatsministerium des Innern am Sonntag, den 24.09.2017, statt. Sollte das Bayerische Staatsministerium des Inneren die Zustimmung verweigern, findet der Bürgerentscheid am Sonntag, den 15.10.2017 statt.
Der Stadtrat bevorzugt eine Zusammenlegung der Bürgerentscheide mit der Bundestagswahl, weil der Stadtrat der Meinung ist,
  • dass die Frage des Ausbaus der B 26 aufgrund der lokalen Begrenztheit lediglich kommunalpolitisch bedeutsam ist und im Bundestagswahlkampf von den dort relevanten – bedeutsameren – bundespolitischen Themen völlig überlagert wird,
  • dass bei einer Trennung von Bundestagswahl und Abstimmungen aufgrund der in jedem Fall bestehenden zeitlichen Nähe zueinander zu befürchten ist, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern Wahlmüdigkeit eintritt und
  • dass die Zusammenlegung nicht nur Kosten spart sondern auch den Missmut der Bürgerinnen und Bürgern über den zu leistenden Wahldienst reduziert.
.

Abstimmungsergebnis:
Einstimmig angenommen

Datenstand vom 16.01.2018 11:19 Uhr