Vergabe von Sozialwohnungen - Aufnahme der Stadt Aschaffenburg in die Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf, Bericht zur Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus in Aschaffenburg


Daten angezeigt aus Sitzung:  13. Sitzung des Stadtrates (Plenum), 07.10.2019

Beratungsreihenfolge
Gremium Sitzung Sitzungsdatum ö / nö Beratungstyp TOP-Nr.SP-Nr.
Stadtrat (Plenum) 13. Sitzung des Stadtrates (Plenum) 07.10.2019 ö Beschließend 9PL/13/9/19

.Begründung / Sachverhalt zum Zeitpunkt der Sitzungseinladung.

I.

Der Verwaltung liegen drei Anträge der CSU-Stadtratsfraktion vom 03.05.2017, 29.01.2018 und 08.07.2019 vor. Es wurde beantragt, seitens der Stadtbau Aschaffenburg GmbH darzulegen, nach welchen Kriterien die Vergabe ihrer Sozialwohnungen erfolgt. Weiter wurde beantragt, dass die Stadt Aschaffenburg beim zuständigen Ministerium beantragt in die Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf, gem. § 3 DVWoR aufgenommen zu werden.

Zur Vergabepraxis der Sozialwohnungen der Stadtbau Aschaffenburg GmbH und deren Vergabekriterien wurde mit Schreiben vom 18.05.2017 der Stadtbau Aschaffenburg GmbH berichtet.

Zum Antrag, die Stadt Aschaffenburg in die Anlage zu § 3 Abs. 1 DVWoR (Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf) aufnehmen zu lassen, erfolgte am 18.10.2017 eine Anfrage an das zuständige Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Von dort wurde mit Schreiben vom 02.11.2017 mitgeteilt, dass die Daten in einem fünfjährigen Turnus erhoben werden. Eine außerturnusmäßige Datenneuerhebung sei nicht möglich. Mit Schreiben vom 29.11.2017 wurde die CSU-Stadtratsfraktion darüber informiert, dass die nächste turnusmäßige Datenerhebung im Jahre 2019 erfolgen wird. Ein entsprechender Erhebungsbogen ging der Verwaltung am 08.07.2019 zu. Die entsprechenden statistischen Daten wurden dem zuständigen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr über die Regierung von Unterfranken mit Schreiben vom 23.07.2019 und Ergänzung vom 26.08.2019 übermittelt. Die CSU-Stadtratsfraktion wurde bereits mit Schreiben vom 22.07.2019 informiert, dass aktuell eine Datenerhebung erfolgt.

In den Erhebungsunterlagen ist eine Einschätzung darüber abzugeben, ob die Stadt Aschaffenburg die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Anlage zu § 3 Abs. 1 DVWoR (Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf) als gegeben ansieht. Diese Einschätzung wurde bewusst noch offengelassen. Der Regierung von Unterfranken wurde in einem Antwortschreiben mitgeteilt, dass hierzu noch eine politische Willensbildung des Stadtrates der Stadt Aschaffenburg erforderlich ist.

II.

Die Stadt Aschaffenburg ist bereits in den Geltungsbereich der Wohnungsgebieteverordnung (WoGeV vom 15.05.2012) und Mieterschutzverordnung (MiSchV vom 16.07.2019) aufgenommen. Hieraus resultieren für die Mieter folgende erweiterte Mieterschutzvorschriften:

  • verlängerte Kündigungssperrfristen (§ 577a BGB)
  • abgesenkte Kappungsgrenze für Mieterhöhungen (§ 558 BGB)
  • Mietpreisbremse (§ 556d BGB)

Die v.g. Regelungen gelten in Bayern für insgesamt 162 Städte und Gemeinden, welche sich auf die sieben Regierungsbezirke folgendermaßen verteilen:

  • Regierungsbezirk Oberbayern                        121 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Niederbayern                            8 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Oberpfalz                                    1 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Oberfranken                            3 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Mittelfranken                            9 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Unterfranken                            8 Städte/Gemeinden
  • Regierungsbezirk Schwaben                                  12 Städte/Gemeinden

In Unterfranken werden die beiden kreisfreien Städte Aschaffenburg und Würzburg, sowie 6 weitere Gemeinden im Landkreis Würzburg vom o.g. Geltungsbereich erfasst.

Im Gegensatz zu den o.g. zivilrechtlichen Mieterschutzvorschriften betrifft die Regelung des § 3 DVWoR (Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf) einen Eingriff in die Vergabe von Wohnungen, welche mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden und insofern für einen bestimmten Bindungszeitraum einer sozialen Bindung nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz unterliegen („Sozialwohnungen“).

Voraussetzung für den Bezug einer Sozialwohnung ist der Nachweis, dass eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschritten wird. Hierüber stellt das Bauordnungsamt den Antragstellern einen entsprechenden „Wohnberechtigungsschein“ aus, welcher nachweist, dass die Einkommensgrenzen amtlich geprüft wurden und der Inhaber die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Auswahl der Mieter obliegt den Vermietern, soweit diese v.g. Wohnberechtigungsschein nachweisen können.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Sozialwohnungen bundesweit deutlich zurückgegangen. Diese Tendenz gilt, wie in den letzten Berichten zum Wohnungsbau mehrfach aufgezeigt, auch für den sozialen Wohnungsbau in der Stadt Aschaffenburg. Im Jahr 2008 existierten noch 2.492 geförderte Wohnungen. Der Bestand ist bis Ende 2018 auf 1.682 Wohnungen zurückgegangen. In den letzten vier Jahren waren ausschließlich Projekte der Stadtbau Aschaffenburg GmbH dafür verantwortlich, dass der weitere Rückgang gebremst wurde und sich der Bestand im Bereich zwischen 1.600 – 1.700 Wohnungen stabilisiert hat. Hierdurch ist allerdings auch der relative Anteil der Stadtbau Aschaffenburg GmbH deutlich auf über 55 % (absolut: 934 Wohnungen) gestiegen. Dieser Anteil wird auch künftig zunehmen, während weiterhin von einer abnehmenden Wohnungszahl im privaten Bereich auszugehen ist.

Die Stadtbau Aschaffenburg GmbH hat wiederrum ein eigenes Vergabesystem entwickelt, welches neben den sozialen Kriterien auch auf ausgewogene Sozialstrukturen und stabile Nachbarschaften innerhalb der Wohngebiete achtet. Neue soziale Brennpunkte konnten hierdurch vermieden werden. Diese Verfahrensweise hat sich, deutlich sichtbar in verschiedenen Wohngebieten, sehr bewährt. Darüber hinaus verfügt die Stadtbau Aschaffenburg GmbH über die erforderlichen Kenntnisse der Objekte und Mietstrukturen vor Ort. Weiterhin werden im Rahmen des Vergabeverfahrens soziale Notlagen bei der Belegung von Wohnungen berücksichtigt.

Bei Aufnahme der Stadt Aschaffenburg in den Geltungsbereich des § 3 DVWoR (Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf) wären künftig je freiwerdender Wohnung 5 wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Diese Personen müssen, wie bisher, über einen Wohnberechtigungsschein verfügen. Darüber hinaus würde sich künftig die Vergabe von Wohnungen nach den erreichten Punkten bestimmen, welche ein Wohnungsbewerber erreicht hat. Die Punkte wären nach einem, neu auszuarbeitenden Kriterienkatalog, im Rahmen des dann geltenden Vergabesystems zu ermitteln. Eine freie Wohnungswahl der Mieter und Vergabe durch die Vermieter wäre für den Bereich der Sozialwohnungen damit nicht mehr möglich. Die gängige Praxis zeigt allerdings täglich, dass die Mieter selbst gewisse Ansprüche an die zu vergebenden Wohnungen stellen und oftmals nicht auf die erste angebotene Wohnung zugreifen, sondern eine bewusste Auswahl treffen. Zu beachten ist auch, dass den Vermietern eine Auswahl zwischen mindestens 5 Bewerbern zusteht und insofern immer noch ein – wenn auch eingeschränktes - Wahlrecht verbleibt. In diesem Rahmen ist auch davon auszugehen, dass auf Seiten der Vermieter die bisherigen Auswahlkriterien angewendet werden. Für die Wohnungen der Stadtbau Aschaffenburg GmbH, welche über 55 % der Sozialwohnungen im Stadtgebiet verfügt, würde dies zu einem doppelten Auswahlverfahren führen.

Zur Umsetzung der Vergabevorschriften müsste bei der Stadtverwaltung eine zusätzliche Vollzeitstelle mit Kosten i.H.v. ca. 85.000 Euro p.a. (A8/A9*) geschaffen werden, die alle zu vermietenden Sozialwohnungen betreut.

Die endgültige Entscheidung über die Aufnahme der Stadt Aschaffenburg in die Anlage zu § 3 Abs. 1 DVWoR (Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf) obliegt dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, auf Basis der vom Bayerischen Landesamtes für Statistik vorgelegten Auswertungen und Zahlen. Hierbei wird auch die eigene Einschätzung der Kommune abgewogen.

Dem Stadtrat wird der Bericht der Verwaltung zur Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus in Aschaffenburg zur Kenntnisnahme vorgelegt.

Dem Stadtrat wird empfohlen, gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr als Einschätzung vorzuschlagen, die Stadt Aschaffenburg nicht in die Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf, gem. § 3 DVWoR aufzunehmen, weil

  • geringere Steuerungsmöglichkeiten im Rahmen der Wohnungsvergabe vorhanden wären,
  • das Wahlrecht, auch der Mieter bei der Auswahl von Sozialwohnungen deutlich eingeschränkt würde,
  • ausgewogene Sozialstrukturen nicht gewährleistet werden können und damit die Gefahr schwierigerer Nachbarschaften durch eine Häufung von Problemmietern nicht auszuschließen wäre,
  • eine neue Wohnungsvergabestelle, mit erheblichen zusätzlichen Kosten und erhöhtem Verwaltungsaufwand einzurichten wäre,
  • auf einen Großteil der Sozialwohnungen der Stadtbau Aschaffenburg GmbH mit 55,5 %-Anteil bereits jetzt direkt von der Stadt Aschaffenburg zugegriffen werden kann.

.Beschluss:

I.
1. Der Bericht der Verwaltung zur Entwicklung des sozialen Wohnungsbaus in Aschaffenburg wird zur Kenntnis genommen.

2. Dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr wird als Einschätzung der Stadt vorgeschlagen, die Stadt Aschaffenburg nicht in die Gebiete mit erhöhtem Wohnungsbedarf, gem. § 3 DVWoR aufzunehmen.

II. Angaben zu den Kosten:

Durch den Vollzug dieses Beschlusses entstehen Kosten:
ja [   ]
nein [X]

Sofern Kosten entstehen:


Die Kosten sind im laufenden Haushaltsplan veranschlagt
ja [   ]
nein [X]
Es entstehen Folgekosten
ja [   ]
nein [X]
Häufigkeit der Folgekosten
einmalig
[  ]
wiederkehrend
[   ]

Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich angenommen

Datenstand vom 03.12.2019 08:27 Uhr