- Ausgangslage
Am 14.06.2021 erteilte der Stadtrat den Auftrag, eine Strategie für die Wirtschafsförderung zu entwickeln. Am 21.10.2021 tagte der Wirtschaftsförderungsausschuss und entsandte aus seiner Mitte eine Lenkungsgruppe, die in einen moderierten Dialogprozess, in dessen Mittelpunkt drei Workshoprunden standen, trat. Das Ergebnis der Workshops wurde am 05.05.2022 wiederum im Wirtschaftsförderungsausschuss vorgestellt.
Eine groß angelegte Unternehmensbefragung, deren Ergebnisse in nichtanonymisierter Form vorliegen, sowie Erkenntnisse aus einer Strukturdatenanalyse, bilden nun die Basis für aktuelle Maßnahmenpakete. Darüber hinaus wurde in den Workshoprunden und auch in der Diskussion im Ausschuss am 05. Mai 2022 die Feststellung von Zielen, in Form von Leitsätzen, thematisiert.
In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, diese komplexe Diskussion fertig zu führen, da auch festgestellt werden musste, dass es bereits eine Vielzahl verbindlicher Entscheidungen gibt, die auf die Wirtschaftsförderungsstrategie mittelbar oder unmittelbar Auswirkung haben können.
Auswirkungen haben die veränderten Schwerpunkte der Politik, die sich in folgenden Beschlüssen feststellen lassen:
Am 30.09.2022 wird eine Auftaktveranstaltung für das Regionale Mobilitäts- und Siedlungsgutachten 2035 für die Region Bayerischer Untermain (REMOSI) stattfinden. In Workshops sollen die Teilnehmenden die Projektideen weiter entwickeln. In sogenannten Nachbarschaftsforen soll das Format der Stadt- Umland-Gespräche wiederbelebt werden. Der Austauschprozess läuft hier aktuell neu auf Ebene der ZENTEC in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Planungsverband.
Handlungsleitfäden wurden auch bereits nach zahlreichen Impulsen aus dem Stadtrat im Umwelt- und Verwaltungssenat am 05.11.2014 getroffen. Thematisch ging es darum, Vergabegrundsätze festzulegen, um soziale und ökologische Standards dauerhaft sicher zu stellen. Beschaffungsgrundsätze, die diesem Regime unterliegen, haben eine mittelbare Strahlwirkung auf Wirtschaft und Unternehmen. Es wurden Standards zu Arbeitsrahmenbedingungen und den Verzicht auf bestimmte Baustoffe sowie Akzente zur Energieeinsparung gesetzt. Insoweit wurden bereits Leitplanken definiert, die sich an Umweltbelangen und sozialen Aspekten orientieren.
Am 27.05.2019 beschloss das Plenum Leitlinien der Digitalisierung, in denen neben der Anerkennung der Smart City Charta auch Leitlinien festgestellt wurden, die unmittelbare Auswirkungen auf Wirtschaftsförderungsmaßnahmen haben:
„Digitale Wirtschaft, Unternehmen, Gewerbe und Handel: Die Region besitzt eine starke mittelständische Wirtschaft mit einer hohen Wertschöpfungstiefe in der Metropolregion Frankfurt Rhein-Main. Die Digitalisierung verlangt von der städtischen Wirtschaft ein komplettes und komplexes Umdenken. Hierfür müssen städtische Strukturen und Planungen dem schnellen Wandel agil und nachhaltig angepasst werden, damit die Stadt eine verantwortungsvolle Förderin und Partnerin für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung sein kann. Wissen - gesellschaftlich, unternehmerisch und technisch - steht hierbei im Mittelpunkt und ist der Kern smarter Digitalisierungskonzepte, die in einem Netzwerk für wirtschaftliche Digitalisierung vermittelt und gefördert werden.“
Auf Ebene der ZENTEC wurden darüber hinaus am 08.04.2022 die Leitvision zur Transformation am Bayerischen Untermain unterzeichnet:
„Aktionsfelder des Kompetenznetzes Transformation
Vernetzung: Die Region ist stark, wenn sie gemeinsam handelt und die digitale Transformation gemeinsam gestaltet.
Innovation: Unternehmen lernen im Netzwerk voneinander und entwickeln im offenen Dialog die Ideen für innovative Prozesse, Produkte und Dienstleistungen. In der Region entsteht ein kreatives Milieu der Digitalisierung.
Mensch und Qualifizierung: Die Anforderungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wachsen und erfordern weiterführende fachliche Qualifikationen. Den Menschen und Betrieben der Region werden bedarfsgerechte Informations- und Weiterbildungsangebote und Ansprechpartner für eine passende Fachkräfteausbildung und Weiterqualifizierung zur Verfügung gestellt. Es wird ein Werkzeugkasten mit Best-Case-Beispielen für die Region erstellt und bekannt gemacht.
Arbeit: Die Digitalisierung verändert und flexibilisiert die Arbeitswelt, speziell im Hinblick auf Ort, Zeit, Arbeitsinhalte und Selbstverständnis der Arbeit. Die Region setzt sich für neue Modelle der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein.“
Ebenfalls in der Sitzung des Plenums am 14.06.2021 wurde die Klimaanpassungsstrategie der Stadt Aschaffenburg vorgestellt. Inhalt dieser Strategie waren auch Leitlinien und Leitsätze. Dieser Beschluss hat in seiner Komplexität durchaus direkten Einfluss auf die Feststellung der Wirtschaftsförderungsstrategie.
Ergänzend ist noch das Integrationsleitbild der Stadt mit folgendem Teilschwerpunkt zu nennen (2018 fortgeschrieben):
„Berufliche Integration Dieser integrationspolitische Schwerpunkt wendet sich sowohl an Zuwandernde mit einem ausländischen Berufsabschluss, an Zuwandernde mit einem Schulabschluss, an Zuwandernde ohne Papiere sowie an Asylbewerbende. Berufsintegrationsklassen an den beruflichen Schulen und Klassen mit besonderer Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache an den allgemeinbildenden Schulen.“
Ein noch laufender und nicht abgeschlossener Prozess ist die Diskussion um die Nachhaltigkeitsstrukturen in der Stadt Aschaffenburg. Am 04.04.2022 wurde ein Nachhaltigkeitsbericht vorgestellt, der sich auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda2030 bezieht, die selbstverständlich Einfluss auf die Wirtschaftsförderungsstrategie haben werden, da man diesen Prozess nicht losgelöst und isoliert von den vorgenannten bereits manifestierten Beschlüssen des Stadtrates führen kann.
- Bisherige Ergebnisse / Zwischenstand
Im Rahmen des moderierten Prozesses zur Entwicklung einer Wirtschaftsförderungsstrategie wurden 4 Leitziele definiert, die auf Workshopebene zum Teil heftig und kontrovers diskutiert wurden. Außerdem war festzustellen, dass im Rahmen der Bewertung einzelner Maßnahmen aus der Runde der Workshopteilnehmenden die Forderung der befragten Unternehmen aus der Stadt nach einer verbesserten Hilfestellung über Fördermöglichkeiten, die mit deutlicher Mehrheit an erster Stelle bei der Frage, welche städtischen Wirtschaftsförderungsleistungen zukünftig (weiterhin) wichtig sind, stand, weit abgeschlagen, hintangestellt wurde. Dieses und weitere Ergebnisse wurde am 05.05.2022 im Wirtschaftsförderungsausschuss vorgestellt. Ebenfalls thematisiert wurde die Frage nach dem Selbstverständnis der Wirtschaftsförderung und die Idee der weiteren Zusammenarbeit. In den Reihen der Workshopteilnehmerinnen und –teilnehmer wurde festgestellt, dass eine Zusammenarbeit auf Arbeitsebene, wie sie bei den Workshops erlebbar wurde, besser beurteilt wird, als der alleinige Austausch im Rahmen eines zweimal im Jahr geplanten städtischen Wirtschaftsförderungsausschusses, der sich in der Regel in Informationsdarstellungen der städtischen Wirtschaftsförderungseinheit erschöpft, aber keine Arbeitsebene aufzeigt.
Am 05.05.2022 wurde vom Moderator des Prozesses im Wirtschaftsförderungsausschuss dringend die Festlegung von Zielen oder Leitlinien angemahnt. Es wurde auch hier bereits deutlich, dass sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen aktuell sehr rasch verändern und z.B. die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine unmittelbare Folgen auf die hiesige Wirtschaft haben. So sind Fragen der Energieversorgung und der Preisentwicklung nach nur wenigen Monaten seit Abschluss der Unternehmensbefragung aktuell in einem anderen Lichte zu sehen und die gewonnenen Ergebnisse sicherlich schon wieder zu relativieren hinsichtlich ihrer Gewichtung.
Die bereits getroffenen vielfältigen Leitlinien und strategischen Ausrichtungen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit (siehe Nr. 1) haben indes eine hohe Strahlkraft auf die Entscheidungen zur Ausrichtung der Wirtschaftsförderungsstrategie.
- Weiteres Vorgehen / Ausblick
- Leitbilddiskussion als verstetigter Prozess
Am 10.10.2022 soll das Stadtratsplenum den Prozess und seinen Auftrag vom Juni 2021 bewerten und über den Status informiert werden sowie das weitere Vorgehen wie vorgeschlagen feststellen. Aus diesem Grund wurde im Wirtschaftsförderungsausschuss der Abschlussbericht über die Workshopergebnisse vorgestellt, mit dem Ziel die begonnene Leitbilddiskussion unter dem Blickwinkel der vorgenannten bereits getroffenen Grundsatzentscheidungen des Stadtrates weiter zu entwickeln und insbesondere auch auf Arbeitsebene laufend zu aktualisieren.
Es zeigt sich ganz drastisch auf Grund der aktuellen Fragen zur Energieentwicklung, dass dies ein fortlaufender Prozess sein sollte, der auf Arbeitsebene fortgeführt werden kann, da die Stadt nicht nur isoliert für sich, sondern auch eingebettet in den Bayerischen Untermain wahrgenommen wird und als Oberzentrum entsprechende Aufgaben übernimmt. Eine Leitlinienfeststellung, die auf 8 – 10 Jahre ausgerichtet ist und nicht permanent wegen der sich schnell verändernden Rahmenbedingungen überprüft wird, verliert ihren Anspruch auf ein nachhaltiges und abgestimmtes Vorgehen.
In der Dokumentation des Prozesses findet man auf Seite 25 ff die Ansätze für vier Leitsätze (bis Seite 39) mit diversen Alternativen und Zusatzbemerkungen. Die Stadtratsfraktionen haben bis Ende Juli 2022 eine Meinungsbildung vorgenommen und diese vier Leitsätze kommentiert
(Anlage 1). Dabei hat sich ein sehr hoher Übereinstimmungsgrad hinsichtlich des formulierten Leitsatzes 1 herausgestellt, der zum Beschlussvorschlag in Ziffer 1 führte.
Die Verwaltung hat den Beschlussvorschlag zu Leitsatz 1 ergänzend der Fa. GEFAK als Beratungsunternehmen zur Bewertung übergeben und daraufhin Ende August 2022 folgendes Feedback erhalten:
„Die Stellungnahmen der Fraktionen erscheinen uns insgesamt konstruktiv. Wir freuen uns, dass unsere Entwürfe der Leitsätze 2 bis 4 auf weitgehende Zustimmung stoßen. Selbst bei dem so kontrovers diskutierten Leitsatz 1 scheint uns eine konsens- oder zumindest mehrheitsfähige Formulierung greifbar.
Der Entwurf des Beschlussvorschlages vom 5.8. greift die Rückmeldungen der Fraktionen unseres Erachtens sachgerecht auf. Durch den zweiten Satz in Absatz (1) („Ein weiteres Wachstum der Stadt ist unter Berücksichtigung der städtischen Nachhaltigkeitsziele gewollt.“) ergibt sich aus unserer Sicht allerdings ein logischer Widerspruch zu der Aussage im ersten Satz, dass mit der prognostizierten Einwohnerzahl eine langfristige Kalkulationsbasis für sämtliche Aspekte der Stadtentwicklung vorliegt. Ein weiteres Wachstum würde ja eben diese Kalkulationsbasis verändern. Schlüssiger, konsequenter (und aufrichtiger!) wäre demnach folgende Formulierung: „Die Stadt Aschaffenburg strebt unter Berücksichtigung ihrer Nachhaltigkeitsziele ein weiteres Wachstum ihrer Bevölkerung auf über 72.000 Einwohner an.“
In Absatz (3) empfehlen wir das Wort „stetigen“ zu streichen, da es weder realistisch noch zielführend wäre, bei dem langfristig zu erwartenden Rückgang junger Menschen die kulturellen Angebote für eine kleiner werdende Zielgruppe immer weiter auszuweiten.
Die als „ALTERNATIVE“ gekennzeichnete Formulierung erscheint uns deutlich weniger geeignet, weil sie u.E. sowohl hinsichtlich der Maßnahmen („alle), als auch hinsichtlich der Aspekte Ansiedlungspolitik, Bestandspflege und Existenzgründungsunterstützung zu unspezifisch ist.
Zur geplanten Vorgehensweise: Die finale Ausarbeitung der bereits weitgehend konsensfähigen Leitsätze in enger Abstimmung mit der ZENTEC und unter Einbeziehung der Workshopmitglieder erscheint uns sinnvoll.
Zu den Handlungsfeldern: Die Ergänzung eines 5. Handlungsfeldes (Energie) ist unmittelbar nachvollziehbar und wird von uns begrüßt.“
Aus diesem Grund schlägt die Verwaltung vor, den Absatz 1 in Leitsatz 1 zu kürzen und auf die Langfristigkeit der Planungsideen bei einer Bevölkerungszahl bis zu 72.000 Bürgerinnen und Bürgern zu verweisen. Der ergänzende Vorschlag der GEFAK in Absatz 1 folgenden Satz 2 zu etablieren: „Die Stadt Aschaffenburg strebt unter Berücksichtigung ihrer Nachhaltigkeitsziele ein weiteres Wachstum ihrer Bevölkerung auf über 72.000 Einwohner an.“, würden wir entsprechend der kontroversen Diskussionen aber auch der weiteren Aussage der GEFAK, nämlich dass die kontroverse Diskussion um den Leitsatz 1 gezeigt habe, dass eine aus Sicht der GEFAK dringend gebotene wachstumskritische Sicht auf die Ziele und Aufgaben der Wirtschaftsförderung noch nicht „salonfähig“ ist, zurückstellen, da es an der mittel- bis langfristigen Planungsgrundlage aktuell nichts ändert.
Das Resultat der Bewertung / Beschlussfassung des Plenums wird dem Wirtschaftsförderungs- ausschuss am 18.10.2022 bekanntgegeben.
Die Weiterentwicklung der Leitziele und Handlungsfelder soll mit bzw. auf der Ebene der ZENTEC GmbH (Zentrum für Technologie, Existenzgründung und Cooperation) erfolgen, da dort bereits eine sehr große Schnittmenge der im Wirtschaftsförderungsausschuss vertretenen Partner:innen involviert ist. Außerdem ist das Vernetzen und Kooperieren auf Ebene des Bayerischen Untermains eines der Geschäftsmodelle der ZENTEC. Der aktuell dort geführte Strategieprozess greift den städtischen Vorschlag auf Arbeitsebene bereits auf. Die Geschäftsführung der ZENTEC kann dies in der Sitzung bestätigen bzw. ergänzen, wenn gewünscht. Insbesondere zielführend und vielversprechend kann eine Datenbasis sein, die eine regionale Unternehmensbefragung generiert und an der alle Netzwerkpartner:innen partizipieren.
Der in der Stadt konkret angegebene Flächenbedarf befragter Unternehmen, konnte in der Zwischenzeit zum Teil evaluiert werden. Dies führt auch zu einer übergreifenden Betrachtung in die Region, um Unternehmen bestmöglich zu unterstützen und optimal so zu vernetzen, dass Geschäftsideen in der Region bleiben, Arbeitsplätze erhalten werden und Wissenstransfer in der Region bleibt. Konkrete Vorteile und Risiken können auch nur auf der regionalen Ebene beurteilt und gefiltert werden. Die bereits getroffenen Grundsatzentscheidungen zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Stadtrat unterscheiden sich auch nicht wesentlich von den Grundsatzbeschlüssen in den Kreistagen, so dass eine breite Basis für ein abgestimmtes Vorgehen zu erwarten ist. Natürlich ist die Frage nach den Gewerbesteuereinnahmen eine im ureigensten Interesse der jeweiligen Gebietskörperschaft, um Spielräume zu eröffnen. Die Spielräume sind aber auf Grundlage der bereits gefällten politischen Vorgaben zu ressourcenschonendem Handeln und klimaschützenden Maßnahmen längst nicht mehr nur monetärer Art und können daher in einem regionalen Gesamtkontext sehr viel effektiver gesteuert und vor allem weiterentwickelt werden. Es gilt daher auch in dem Maße bzw. auf der regionalen Ebene über gerechte Ausgleiche und übergeordnete Zielververfolgungen (z.B. Beschlüsse der Planungsregion 1 im regionalen Planungsverband) zu verhandeln und Kompromisse einzugehen.